Wird der ordentliche Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung der heutigen Form der Ehegemeinschaft noch gerecht? Für die Beantwortung dieser Frage sind der Hintergrund des ordentlichen Güterstandes sowie die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen zu betrachten.
Das eheliche Güterrecht umfasste ursprünglich alle Auswirkungen der Ehe auf das Vermögen. Heute ist es Teil des ehelichen Vermögensrechts, das auch schuldrechtliche Beziehungen zwischen den Ehegatten und zu Dritten einschließt. Vor 1907 war das Güterrecht in der Schweiz kantonal geregelt und umfasste verschiedene Formen wie Gütergemeinschaft und Gütertrennung. Im Folgenden wird die Geschichte der Einführung der Errungenschaftsbeteiligung kurz geschildert.
Mit dem Schweizerischen Zivilgesetzbuch (ZGB) von 1907 wurde die Güterverbindung als ordentlicher Güterstand festgelegt. Der Ehemann verwaltete das Vermögen beider Ehepartner und war als Haupt der Gemeinschaft definiert, während die Frau untergeordnet war. Die patriarchalische Struktur der Ehe und die eingeschränkten Rechte der Frauen waren prägend für diese Zeit.
Das Frauenstimmrecht wurde in der Schweiz erst 1971 auf Bundesebene eingeführt, was den Frauen politische Teilhabe und wirtschaftliche Selbstständigkeit ermöglichte. Diese Veränderungen führten zu einem erhöhten Bedarf an einer Revision des Ehegüterrechts.
Am 1. Januar 1988 ersetzte die Errungenschaftsbeteiligung den ordentlichen Güterstand der Güterverbindung. Dieser neue Güterstand fördert die Gleichstellung der Ehegatten, ermöglicht es Frauen unabhängig zu arbeiten, und sieht eine hälftige Teilung des Vermögens bei einer Scheidung vor.
Die gesellschaftlichen Veränderungen haben die traditionelle Vorstellung von Ehen, in denen der Ehemann Alleinverdiener und Familienoberhaupt und die Ehefrau für Haushalt und Kindererziehung verantwortlich war, grundlegend gewandelt. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund des Anstiegs des Bildungsniveaus bei Frauen und der Zunahme berufstätiger Frauen geschehen. Damit hat sich das Konzept der Ehe von der Alleinverdiener-Ehe hin zur Doppelverdiener-Ehe entwickelt. Trotz dieser Entwicklung gibt es nach wie vor Herausforderungen, insbesondere hinsichtlich der Chancengleichheit von Frauen in Familie und Beruf.
Die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe durch die Revision des Zivilgesetzbuches am 18. Dezember 2020 wurde gleichgeschlechtlichen Paaren der Weg eröffnet, zivilrechtlich zu heiraten. Zuvor galten für sie die Bestimmungen des Partnerschaftsgesetzes, das die Gütertrennung als regulären Güterstand vorsah, denn Regelung in Art. 18 Abs. 1 des Partnerschaftsgesetzes, wonach jeder Partner über sein eigenes Vermögen verfügen kann, spiegelt im Wesentlichen die Bestimmungen über den außerordentlichen oder vertraglichen Güterstand der Gütertrennung im ZGB wider. Mit der neuen Regelung wird der Zugang zur Errungenschaftsbeteiligung als ordentlichen Güterstand der Ehe auch für eingetragene Partnerschaften eröffnet.
Die bisherigen gesetzlichen Regelungen gleichgeschlechtlicher Ehe im Partnerschaftsgesetz spiegelten eine gleichberechtigte Partnerschaft mit zwei berufstätigen Personen wider, während das Eherecht von 1984 traditionelle Rollenbilder annahm. Die Eröffnung der Ehe für alle könnte langfristig das Verständnis von Ehe verändern und die Gütertrennung als ordentlichen Güterstand vor dem Hintergrund der besseren Anpassung an moderne gesellschaftliche Bedingungen rechtfertigen. Beide Modelle, sowohl die Errungenschaftsbeteiligung, als auch die Gütertrennung, betonen die getrennte Verwaltung und Verfügung des Vermögens während der ehelichen Gemeinschaft.
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