Beim rechtfertigenden Notstand greift der Notstandsberechtigte in die Rechtsgüter Dritter ein, um damit ein eigenes oder fremdes Rechtsgut vor einer drohenden Gefahr zu retten. Beim Retten fremdes Rechtsgutes spricht man dabei von Notstandshilfe.
Um sich durch Notstand rechtfertigen zu können, muss eine Notstandslage vorgelegen haben. Die Notstandslage liegt in der unmittelbaren Gefahr eines Individualrechtsguts, unabhängig davon, ob diese Gefahr durch Naturgewalt oder menschliches Handeln zustande gekommen ist. Davon zu unterscheiden ist ein direkter Angriff durch einen Menschen, in welchem Fall eine Notwehr (Art. 15 StGB) vorliegen könnte. Ob eine Gefahr zum Zeitpunkt der Tat bestanden hat, ist anhand eines hypothetischen ex-ante Urteil eines unabhängigen Dritten in der Lage des Täters zu definieren. Ausserdem hat die drohende Gefahr unmittelbar zu sein. Die Unmittelbarkeit meint dabei, dass sie drohende Gefahr gegenwärtig sein muss (umfasst wird bei der Notstandslage auch die Dauergefahr) oder die erst zu einem späteren Zeitpunkt drohende Gefahr nur gegenwärtig sicher abgewehrt werden kann. Die darauffolgende Notstandshandlung des Täters muss sodann verhältnismässig sein. Das bedeutet, dass die Handlung geeignet sein muss, um die Gefahr abzuwenden und dieses Vorhandensein wird auch wieder aus der Betrachtung eines unabhängigen Drittens beurteilt. Weiter muss die Handlung erforderlich und damit gegenüber milderen Mitteln absolut subsidiär sein. Dabei ist insbesondere das Ausweichen aus der Notstandslage zumutbar (im Unterschied zum Notwehrrecht). Wesentlich bei der Bewertung, ob eine mit Strafe bedrohte Tat durch Notstand gerechtfertigt ist, ist die Vornahme einer Interessenabwägung. Es findet eine Interessenwahrung statt, um die Wahrung höherwertiger Interessen zu fördern. Im Rahmen der Interessenabwägung wird also geprüft, in welche Rechtssphäre eingegriffen wurde. Dabei werden 2 Formen des Notstands unterschieden, nämlich der Aggressivnotstand und der Defensivnotstand. Vom Aggressivnotstand spricht man, wenn in die Rechtsgüter unbeteiligter Dritter eingegriffen wird, während beim Defensivnotstand in die Rechtsgüter dessen eingegriffen wird, aus dessen Rechtssphäre die Gefahr droht. Der Aggressivnotstand kann auch als Angriff und der Defensivnotstand als Verteidigung bezeichnet werden. Beim Aggressivnotstand müssen die Interessen des im Notstand befindlichen Täters wesentlich schwerer wiegen als die Interessen des Eingriffsopfers. Beim Defensivnotstand brauchen die Interessen des im Notstand befindlichen Täters nicht schwerer zu wiegen und die Interessen des Eingriffsopfers dürfen noch nicht unverhältnismässig schwer wiegen.
Die Voraussetzungen des entschuldbaren Notstands sind weitgehend die gleichen wie beim rechtfertigenden Notstand. Sie unterscheidet sich jedoch bei der Interessenabwägung, denn wenn nicht deutlich höherwertige Interessen durch die Notstandshandlung geschützt werden, kann dennoch ein entschuldbarer Notstand vorliegen. Beim entschuldbaren Notstand gemäss Art. 18 StGB geht es aber nicht wie beim rechtfertigenden Notstand in Art. 17 StGB nur um eine «Gefahr» sondern vielmehr um die «Gefahr für Leib, Leben, Freiheit, Ehre, Vermögen oder andere hochwertige Güter». Beim entschuldbaren Notstand müssen aber nicht höherwertige Interessen gewahrt werden.
Beim Notstand wird zwischen dem rechtfertigenden Notstand (Art. 17 StGB) und dem entschuldbaren Notstand (Art. 18 StGB) unterschieden. Beim rechtfertigenden Notstand ist das gewahrte Interesse gegenüber dem verletzten Interesse höherrangig. Hingegen beim entschuldbaren Notstand wird für die Verteidigung eines Rechtsguts ein anderes, hochwertiges oder gleichwertiges Interesse verletzt.
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