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Das Vermächtnis

Ein Vermächtnis ist die Zuwendung eines bestimmten Gegenstandes an eine beliebige Person durch eine letztwillige Verfügung. Der Vermächtnisnehmer erlangt durch die Zuwendung keine Erbenstellung, sondern wird explizit Vermächtnisnehmer. Dadurch können auch Gegenstände an Personen vermacht werden, ohne dass diese die Rechte der Erben erlangen.

Die Rechtsgrundlage für das Vermächtnis ist das schweizerische Zivilgesetzbuch (ZGB), konkret die Artikel 484 bis 489. Darin steht geschrieben, dass ein Erblasser einem Bedachten, ohne ihn als Erben einzusetzen, einen Vermögenswert zuwenden kann. Was genau Gegenstand eines Vermächtnisses sein kann, ist per Gesetz nicht definiert. So kann ein Vermögenswert ein bestimmter Gegenstand oder Bargeld sein, aber auch in Form eines Rechts ausgekleidet sein. Häufig werden Vermächtnisse in Form von Schmuckstücken wie beispielsweise Uhren hinterlassen.

Sodann regelt Art. 489 ZGB den Zeitpunkt der Übergabe des Vermögenswertes. Dieser ist, wenn nichts anderes bestimmt ist, durch den Vermächtnisnehmer auszulösen. Dabei kann der Vermächtnisnehmer die Erben zur Herausgabe auffordern, wobei diese der Aufforderung folgen müssen.

Die Unterscheidung zwischen Erben und Vermächtnisnehmern ist von zentraler Bedeutung, da unterschiedliche Rechte und Pflichten mit den jeweiligen Positionen einhergehen. Ein Vermächtnis kann nämlich nur ein Teil eines Testaments oder eines Erbvertrags sein – wenn kein Testament vorliegt, kann kein Vermächtnis ausgerichtet werden. Erbe kann hingegen jedermann von Gesetzes wegen werden.

Ein Vermächtnis ist vor allem dann sinnvoll, wenn der Erblasser eine bestimmte Person oder eine gemeinnützige Organisation berücksichtigen möchte. Denn ein Vermächtnisnehmer hat zwar Anspruch auf den Vermächtnisgegenstand, kann aber für Schulden des Erblassers nicht haftbar gemacht werden. Für Schulden haften nur die Erben.

Das Gesetz regelt in Art. 486 Abs. 2 ZGB das Vorabsterben des Vermächtnisnehmers. Sollte der Vermächtnisnehmer vor dem Erblasser versterben, erlischt das Vermächtnis, als hätte es nie existiert. Das Vermächtnis selbst fällt dann in die Erbmasse und geht an die gesetzlichen oder eingesetzten Erben über. Der Erblasser selbst kann jedoch auch diese Konstellation berücksichtigen und definieren, wer den Vermögenswert erhalten soll, wenn der erste Vermächtnisnehmer bereits vorverstorben ist. Dies könnte folgendermassen festgehalten werden: «Im Falle meines Ablebens soll mein bester Freund Hans Peter Joch meine Rolex Datejust 31 erhalten. Sollte Hans Peter zu meinem Todeszeitpunkt bereits verstorben sein, soll an seiner Stelle mein Neffe Julian die Uhr erhalten.»

Einer Einschränkung unterliegt das Vermächtnis. So kann der Erblasser nur im Umfang seiner freien Quote Vermächtnisse entrichten. Verletzt der Erblasser durch die Ausrichtung eines Vermächtnisses die Pflichtteile seiner Erben, können diese Einrede erheben und die Herabsetzung des Vermächtnisses verlangen. Dies kann zu einer Reduktion des Vermögenswerts führen und im schlimmsten Fall die ersatzlose Streichung des Vermächtnisses bewirken. Über die Höhe der Pflichtteile können Sie sich gerne in unserem Blogbeitrag mit dem Titel «Pflichtteile im Erbrecht» informieren. Sehr gerne könne Sie auch die Kanzlei in St. Gallen, Frauenfeld oder Zürich kontaktieren, um einen Beratungstermin zu verabreden.