de en ru it fr

Mantelgesellschaften in der schweizerischen Rechtslandschaft

Historie
Die schweizerische Rechtsordnung kennt in ihrer normierten Form noch keine Legaldefinition für den Begriff des Mantelhandels. Diese Lücke musste daher von der Rechtsprechung und der Lehre geschlossen werden. Anzumerken ist jedoch, dass zwischenzeitlich eine Gesetzesänderung im Gange ist, welche sich unter anderem mit diesem Thema befasst. Eine Vielzahl der aktuellen bundesgerichtlichen Entscheide zum Thema Mantelhandel/Mantelgesellschaft ist steuerrechtlicher Natur, weswegen es auch notwendig ist, zu erwähnen, dass der steuerrechtliche Begriff einer Mantelgesellschaft nicht mit dem des Handelsrechts übereinstimmt. Das Bundesgericht hat nämlich für Steuerrechtsfälle seine Definition etwas ausgeweitet und auch Gesellschaften einbezogen, die noch über gewisse, allerdings verflüssigte, Aktiven verfügen. Einer der ersten Leitentscheide der sich mit der Frage des Mantelhandels beschäftigt, ist BGE 64 II 361 vom 08. November 1938, in welchem der Beklagte die Bezahlung des Kaufpreises verweigerte, da es sich seines Erachtens um die Veräusserung eines Aktienmantelhandels handelte und ein solches Kaufgeschäft nichtig sei. Zwar bejahte das BGer die Ansicht, dass der Erwerb eines Mantelhandels nichtig sei, in besagtem Fall verneinte es jedoch das Vorliegen eines Solchen.

Typen
Aber was ist ein solcher Gesellschaftsmantel überhaupt und wann wird eine Gesellschaft als solcher bezeichnet? Der derzeit zivilrechtlich verwendete Begriff des Gesellschaftsmantels wurde vom Bundesgericht entwickelt und bezeichnet eine Gesellschaft, welche ihre frühere unternehmerische Tätigkeit nicht mehr ausführt und deren Dasein auf eine neue geplante oder zufällig spätere Verwendung abzielt. Sie hat in der Regel kein oder je nach Lehrmeinung, nur wenig Vermögen, welches in liquider Form vorhanden ist. Eine Gesellschaft wird demnach zur Mantelgesellschaft, wenn sie bereits liquidiert wurde, aber noch nicht gelöscht ist. Festzuhalten ist jedoch, dass die Aufgabe der unternehmerischen Tätigkeit dauerhaft sein muss, da eine vorübergehende Untätigkeit nicht genügt. Beim heutigen Begriff des Mantelhandels differenziert die Lehre meist zwischen Mantelhandel im weiteren Sinn und Mantelhandel im engeren Sinn. Ersterer beinhaltet noch die Gründung von Vorratsgesellschaften. Bei einer Vorratsgesellschaft handelt es sich um eine errichtete Gesellschaft, welche ohne Absicht eine tatsächliche Betriebstätigkeit aufzunehmen, gegründet wurde. Sie wird dementsprechend auf Vorrat geschaffen und wartet auf eine Aktivierung in der Zukunft. Mantelhandel im engeren Sinn wird wie bereits durch das Bundesgericht in früherer Rechtsprechung definiert und mehrfach als Handel mit einer Mantelgesellschaft, also einer „wirtschaftlich vollständig liquidierten und von Beteiligten aufgegebenen, juristisch aber noch nicht aufgelösten Gesellschaft“ definiert.

Rechtsfolge
Das Gesetz hält in Art. 938a OR u. Art. 155 HRegV fest, dass eine leere Gesellschaft ohne Geschäftstätigkeit nach Ansetzung einer Frist und dreimaligem Schuldenruf bei Nichtreaktion der Gesellschaftsorgane gelöscht werden muss. Das Bundesgericht hält in seiner ständigen Rechtsprechung an einer konstitutiven Bedeutung der Löschung fest. Dies hat zur Folge, dass eine blosse Liquidierung noch nicht zur Beendigung der Rechtspersönlichkeit führt. Handelt es sich hingegen um eine liquidierte und noch von den Gesellschaftern aufgegebene Gesellschaft, ist diese nach Sicht des Bundesgerichts umgehend zu löschen und verliert auch ihre Rechtspersönlichkeit direkt. Die Lehrmeinungen zum Verlust oder Bestand der Rechtspersönlichkeit einer solchen Gesellschaft gehen auseinander; die Ansichten reichen von der vollkommenen Aberkennung des Statuts als juristische Person bis zur gegenteiligen Meinung, dass auch stillgelegte und faktisch liquidierte Gesellschaften bis zur Löschung ihre Rechtspersönlichkeit behalten. Abschliessend lässt sich festhalten, dass das Bundesgericht und die überwiegende Mehrheit der Lehre der Auffassung sind, dass eine völlig entleerte Gesellschaft zu löschen ist und der Bundesrat gedenkt die langjährige bundesgerichtliche Rechtsprechung zum Verbot des Mantelhandels zu kodifizieren.