In der heutigen Zeit des Online-Handels ist die beim Kaufvertrag angesiedelte Prüfungs- und Rügepflicht von Art. 201 OR von grosser praktischer Relevanz. Danach hat der Käufer eine Sache, sobald es nach dem üblichen Geschäftsgang tunlich ist, auf ihre Beschaffenheit zu prüfen und dabei erkennbare Mängel nach Abschluss der Prüfung sofort zu rügen (offene Mängel, Abs. 1). Bei der Prüfung nicht erkennbare Mängel muss er sofort nach deren Entdeckung rügen (versteckte Mängel, Abs. 3).
Nach Art. 201 Abs. 1 & 3 OR sind Mängel sofort nach Entdeckung zu rügen. Sofort in diesem Kontext bedeutet innert wenigen Tagen. In der Praxis werden in der Regel sieben Tage als fristenwahrend betrachtet. Dabei kann die Prüfungs- und Rügefrist je nach der Natur des Kaufgegenstandes und der Art des in Frage stehenden Mangels von verschiedener Dauer sein. Als Beispiel für eine lange Prüfungsfrist kann der Kauf einer Mähmaschine im Winter betrachtet werden, welche erst bei Ingebrauchnahme im Sommer geprüft werden kann. In einem solchen Fall wird die Prüfung begründet aufgeschoben.
Bei der Prüfungs- sowie der Rügepflicht handelt es sich entgegen dem Wortlaut bloss um Obliegenheiten. Anders als bei einer Pflicht entstehen der Gläubigerin bei einer Verletzung der Prüfungs- und Rügepflicht durch den Schuldner keine einklagbaren Rechte. Der Schuldner hingegen trägt die aus der Verletzung der Obliegenheiten entstehenden Nachteile. In einem Kaufvertrag bedeutet das konkret, dass der Schuldner seinen Anspruch auf die Mängelrechte nach Art. 205 ff. OR verliert.
In der Praxis werden regelmässig gewisse Eigenschaften einer Kaufsache durch den Verkäufer zugesichert. Nach bundesrechtlicher Rechtsprechung befreit eine Zusicherung i.S.v. Art. 197 Abs. 1 OR nicht von der Prüfungs- und Rügepflicht (BGE 107 II 419 E. 2; 81 II 56 E. 2). Sichert ein Verkäufer eines Autos beispielsweise zu, dass es sich bei dem Verkaufsobjekt nicht um einen Unfallwagen handelt, so ist dies dennoch zu prüfen und zu rügen. Stellt sich nachträglich heraus, dass die Zusicherung nicht der Realität entspricht, so kann sich der Käufer aufgrund der verpassten Prüfungs- und Rügepflicht nicht mehr auf die Mängelrechte berufen.
Allfällige Fragen bezüglich der korrekten Wahrnehmung von der Prüfungs- und Rügepflicht werden von unseren Rechtsanwälten für Vertragsrecht in Zürich, St.Gallen und Frauenfeld gerne beantwortet.