Handelt eine Partei bei Vertragsschluss in einem wesentlichen Irrtum, ist der Vertrag für sie unverbindlich (Art. 23 OR). Nachfolgend erfahren Sie, welche Irrtümer wesentlich und welche unwesentlich sind, und was ihre Rechtsfolgen sind. Haben Sie Fragen über den Vertragsschluss sind Ihnen unsere Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen für Vertragsrecht gerne behilflich.
Ein Erklärungsirrtum ist die falsche oder fehlende Vorstellung über die Bedeutung seines eigenen Erklärungsverhaltens. Jemand erklärt etwas, was er gar nicht erklären will. Der Fehler liegt dabei in der Erklärungshandlung, beispielsweise indem sich der Erklärende verspricht oder vertippt. Der Erklärungsirrtum wird unterteilt in verschiedene Formen; in den Inhaltsirrtum (z.B. Übersetzungsfehler beim Erklärenden), den Fehler in der Erklärungshandlung (z.B. Verschreiben) und gemäss Art. 27 OR in die unrichtige Übermittlung durch eine Übermittlungsperson (Übermittlungsirrtum).
Ein Erklärungsirrtum kann nur angefochten werden, wenn es sich um einen Wesentlichen handelt. Dafür ist erforderlich, dass die Irrende Partei den Vertrag mit dem falsch erklärten Inhalt nicht abgeschlossen hätte (subjektive Wesentlichkeit) und dass die Abweichung zwischen der Erklärung und dem wirklichen Willen des Irrenden objektiv betrachtet tatsächlich von Bedeutung ist (objektive Wesentlichkeit). Art. 24 Abs. 1 Ziff. 1-3 OR zählt einige Beispiele für einen Erklärungsirrtum auf, bei dem die Wesentlichkeit vermutet wird.
Der Motivirrtum bezieht sich nur auf den Beweggrund zum Vertragsabschluss. Eine Partei bildet ihren Willen aufgrund einer falschen oder fehlenden Vorstellung über den Sachverhalt. Ein Motivirrtum ist grundsätzlich nicht wesentlich und kann somit nicht angefochten werden (Art. 24 Abs. 2 OR).
Der Grundlagenirrtum ist ein qualifizierter Motivirrtum, der im Gegensatz zum Motivirrtum als wesentlich betrachtet wird (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR). Auch der Grundlagenirrtum setzt eine objektive und subjektive Komponente voraus, um als wesentlich zu gelten.
Ein Grundlagenirrtum gilt als objektiv wesentlich, wenn der Irrende den vorgestellten Sachverhalt als eine notwendige Grundlage des Vertragsschlusses betrachten durfte. Dabei ist ausschlaggebend, ob eine durchschnittliche Person in der Position des Irrenden den Vertrag in Kenntnis der wahren Sachlage ebenfalls nicht oder nur mit einem anderen Inhalt abgeschlossen hätte. Subjektive Wesentlichkeit liegt vor, wenn der irrtümlich vorgestellte Sachverhalt kausal für den konkreten Vertragsschluss war.
Blosse Rechnungsfehler hindern gemäss Art. 24 Abs. 3 OR die Verbindlichkeit des Vertrages nicht, sind aber zu berichtigen.
Der Vertrag ist für denjenigen unverbindlich, der sich beim Vertragsschluss in einem wesentlichen Irrtum befunden hat (Art. 23 OR). Die durch den Irrtum beeinflusste Partei muss der anderen Vertragspartei innert einem Jahr eröffnen, dass sie den Vertrag nicht halte. Sonst gilt der Vertrag nach Art. 31 Abs. 1 OR als genehmigt. Gemäss Art. 31 Abs. 2 OR beginnt die Frist in den Fällen des Irrtums mit der Entdeckung zu laufen. Sachleistungen können mittels Vindikation (Art. 641 Abs. 2 ZGB) zurückgefordert werden. Andere Leistungen können nach Bereicherungsrecht (Art. 62 ff. OR) ausgeglichen werden. Noch nicht erbrachte Leistungen müssen nicht geleistet werden.
Hat der Irrende den Irrtum der eigenen Fahrlässigkeit zuzuschreiben, kann er gegenüber dem Vertragspartner schadenersatzpflichtig werden (Art. 26 Abs. 1 OR).