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Bluttransfusionen bei Zeugen Jehovas

Bei schweren medizinischen Notfällen kann oftmals auch eine Bluttransfusion notwendig werden. Da in Notfallsituationen Behandlungen unter Zeitdruck auszuführen sind, bleibt keine Möglichkeit für eine Absprache mit der oder dem Patienten, damit ihre oder seine Wünsche berücksichtigt werden können. Dabei stellen sich vor allem bei Anhängern der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas im Zusammenhang mit Bluttransfusionen einige rechtliche Herausforderungen.

Laut der Glaubensansicht der Zeugen Jehovas steht Blut bei Gott für Leben, woraus sich gleich zwei Gründe für eine Ablehnung von Bluttransfusionen ergeben; nämlich der Gehorsam gegenüber Gott, als auch der Respekt gegenüber ihm als Lebensgeber. Somit ist es getauften Zeugen Jehovas verboten, Bluttransfusionen durchzuführen, da die Blutvermischung auch zu einer Vermischung der Persönlichkeit führen würde. Die Zeugen Jehovas befürchten, dass Gott sie dadurch beim Tag des Jüngsten Gerichts nicht mehr richtig zuordnen kann. Ein Regelverstoss wird als Bruch des göttlichen Gebotes angesehen. Nachfolgend werden verschiedene Szenarien einer Bluttransfusion an einem Zeugen Jehovas beleuchtet mit unterschiedlichen Rechtsfolgen diskutiert.

Führt jemand an einer Patientin oder einem Patienten eine Bluttransfusion durch, ohne zu wissen, dass es sich um einen Zeugen Jehovas handelt, liegt ein Sachverhaltsirrtum vor. In diesem Fall könnte der Straftatbestand der Körperverletzung nach Art. 123 StGB erfüllt sein. Verletzt eine lebensrettende Massnahme den Körper, die Gesundheit oder die körperliche Integrität, ist der Tatbestand grundsätzlich erfüllt. Um dennoch straffrei zu bleiben, muss ein Rechtfertigungsgrund vorliegen. In Frage kommen dabei die Einwilligung bzw. die mutmassliche Einwilligung, wenn die Patientin oder der Patient bewusstlos oder aus einem anderen Grund urteilsunfähig ist. Da bei einem Zeugen Jehovas keine Einwilligung, auch keine mutmassliche, vorliegen würde, wäre der Tatbestand erfüllt, was jedoch nicht zweckdienlich ist, da aus Angst sich strafbar zu machen niemand mehr einem Opfer helfen würde. Es muss also eine Möglichkeit geben, straffrei zu bleiben. Da sich der Retter oder die Retterin den Sachverhalt anders vorstellte, als er tatsächlich war, liegt ein Sachverhaltsirrtum nach Art. 13 StGB vor. Der sich irrende Täter oder die sich irrende Täterin wird vom Richter so beurteilt, wie er oder sie es sich vorgestellt hatte. Fehlt die Anforderung an die Wissensseite, ist der Vorsatz nicht gegeben. Ist jedoch auch die fahrlässige Begehung der Tat mit Strafe bedroht, macht sich der Täter oder die Täterin dieser strafbar, wenn er oder sie den Irrtum bei pflichtgemässer Sorgfalt hätte vermeiden können. Von Art. 13 StGB ist auch die Putativrechtfertigung erfasst, das heisst, wenn der Täter irrigerweise von einer Rechtfertigung seiner Handlung ausging. Demzufolge bleibt eine Person, die im Unwissen einem Zeugen Jehovas eine Bluttransfusion verabreicht, straffrei, sofern unter Anwendung der pflichtgemässen Sorgfalt nicht erkennbar war, dass der Patient oder die Patientin dieser Glaubensgemeinschaft angehört.

Ein denkbarer Lösungsweg für PatientInnen wäre beispielsweise eine amtlich beglaubigte Patientenverfügung, welche die Person in ihrer Brieftasche aufbewahrt. Auskunft hierzu kann Ihnen eine Anwältin oder ein Anwalt in St. Gallen, unserem Standort mit integriertem Notariat geben.