de en ru it fr

Insiderhandel – Kavaliersdelikt oder ernstzunehmendes Vergehen?

Insiderinformationen sind der Öffentlichkeit nicht zugängliche Informationen, welche dazu geeignet sind, bei ihrer Veröffentlichung den Kurs eines Wertpapiers erheblich zu beeinflussen. Aufgrund dessen würden Anleger die betreffenden Informationen wahrscheinlich als Teil der Grundlage ihrer Anlageentscheidung nutzen. Bei der Definition von Insidern wird zwischen Primär- und Sekundärinsidern unterschieden. Als Primärinsider sind beispielsweise Mitglieder des Verwaltungsrates oder des Aufsichts- bzw. Leitungsorganes des Emittenten zu definieren. Hierzu zählen auch Personen, welche aufgrund ihres Berufes oder ihrer Beteiligung am Kapital des Emittenten Zugang zu Insiderinformationen haben. Sekundärinsider sind beispielsweise LebenspartnerInnen von Vorstandsmitgliedern oder Reinigungskräfte im Unternehmen. Diese sind zwar nicht als Insider im klassischen Sinn definiert, haben aber trotzdem Zugang zu Insiderinformationen. Gesetze zur Verhinderung des Insiderhandels betreffen vor allem Mitarbeiter von börsennotierten Unternehmen und die Anbieter finanzieller Dienstleistungen.

Während die USA Insiderhandel extrem rigoros ahnden, scheint das Vergehen im deutschsprachigen Raum eher als Kavaliersdelikt angesehen zu werden. Hierbei handelt es sich jedoch um einen fatalen Trugschluss, da allfällige Folgen von Insiderhandel fatal sein können: Missbrauchen Insider das Vertrauen der InvestorInnen einer Firma, verlieren diese ihr Vertrauen in den gesamten Markt und zahlen weniger Finanzinstrumente. Die betroffenen Unternehmen erleiden infolge einen Kursabfall und eine signifikante Steigerung ihrer Kapitalkosten. Verlassen InvestorInnen den Markt gänzlich, so kommt es zu einer Erhöhung der Kapitalkosten für alle Unternehmen und die Wirtschaft erleidet einen Wohlfahrtsverlust. Ein Marktversagen und schlimmstenfalls ein Zusammenbruch des Kapitalmarktes können die Folge sein. Seitens der betroffenen Unternehmen verschlechtern sich die Finanzierungsmöglichkeiten am Kapitalmarkt, wodurch wirtschaftliches Wachstum verhindert wird. Aufgrund dessen handelt es sich beim Insiderhandel keineswegs um ein Kavaliersdelikt. Dementsprechend sollte das Vergehen auch angemessen geahndet werden.

In London wurde in der Vergangenheit beispielsweise eher gutmütig mit Insiderhändlern umgegangen, wie der Fall Abdel-Malek und Choucair beweist (je 3 Jahre Haft). In Shanghai hingegen, wurde ein Angestellter desselben multinationalen Unternehmens mit einer weitaus höheren Strafe für Insiderhandel belangt (9 Jahre Haft). Diese unterschiedlich langen Haftstrafen für das gleiche Vergehen verdeutlichen internationale Diskrepanzen, was die Verfolgung von Insiderhandel angeht. Momentan sind Anti-Insiderhandel-Gesetze relativ leicht zu umgehen; beispielsweise indem Insider eine Handelsfirma aufziehen und anhand von Strohleuten ein Geflecht aus Tochtergesellschaften und Offshore-Konten aufbauen, mit dessen Hilfe sie ihre kriminellen Aktivitäten verschleiern. Daher sollten GesetzgeberInnen darauf hinarbeiten, Transparenz im Umgang mit multinationalen Firmennetzwerken zu erhöhen. Insbesondere sollten detaillierte Listen aller Primär- und Sekundärinsider international verpflichtend sein.

Um Insiderhandel weniger attraktiv zu machen, könnten sich europäische GesetzgeberInnen ein Beispiel an den USA und China nehmen; immerhin hat Insiderhandel höchst negative Auswirkungen auf die Wirtschaft. Da in Ländern wie der Schweiz und Deutschland das Risiko entdeckt zu werden momentan noch vergleichsweise gering ist, gehen viele Insider mit Blick auf ihre potentiellen Gewinne das Risiko ein. Weiterhin sollten GesetzgeberInnen die Intensivierung etwaiger Handlungssperrperioden in Betracht ziehen. Fest steht, dass sie die Effektivität ihrer Massnahmen kritisch hinterfragen sollten. Banken können zur Bekämpfung des Problems beitragen, indem sie interne Überwachungen verstärken.