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Sorgfaltspflicht des Arbeitgebers bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz und die Frage, wie selbige überhaupt zu definieren ist, sind ein kontrovers diskutiertes Thema. Sexuelle Belästigung wird als Diskriminierung angesehen. Als sexuelle Belästigung wird jedes belästigende Verhalten sexueller Natur und jedes andere Verhalten, welches die Stellung von Frauen und Männern am Arbeitsplatz nicht würdigt, definiert. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Verhalten während der Arbeitszeit oder während eines anderen Anlasses der Arbeitsgruppe, bspw. an der Weihnachtsfeier, stattfindet. Es kommt bei der Beurteilung, ob es sich um eine sexuelle Belästigung handelt, nicht auf das Verhalten der handelnden Person, sondern auf die Wahrnehmung der durch die Handlung betroffenen Person an. Dabei wir ein objektiver Verhaltensmassstab angewendet.

Unter den Begriff der sexuellen Belästigung fallen insb. Drohungen, das Versprechen von Vorteilen, das Auferlegen von Zwang und das Ausüben von Druck zum Erlangen eines Entgegenkommens sexueller Art (Vgl. Art. 4 GlG). Ferner zählen auch unerwünschte sexuelle Annäherungen und Handlungen, die das Anstandsgefühl verletzen, sexistische Sprüche, anzügliche und peinliche Bemerkungen (BGE 126 III 397; s.a. BGer, JAR 2014, 372; TC VD, JAR 2001, 389), das Aufhängen anstössiger Fotografien sowie das Versenden solcher E-Mails (BGE 4C.289/2006, E. 3) und unerwünschter SMS (CREC VD, JAR 2013, 571) dazu. Hingegen stellen Bemerkungen persönlicher Natur, Komplimente, ermutigende Äusserungen oder Ratschläge, die keinerlei sexuellen Bezug aufweisen und im Rahmen eines von Kollegialität und Vertrauen geprägten Verhältnisses zwischen den betroffenen Personen gemacht werden, keine sexuelle Belästigung dar (BGer, JAR 2008, 152).

Rein rechtlich gesehen liegen klare Vorschriften an die Sorgfaltspflicht des/der Arbeitgebenden vor. So schreibt Art. 328 OR grundsätzlich vor, dass Arbeitgebende im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht sexueller Belästigung vorzubeugen und dafür zu sorgen haben, dass einem Opfer keine weiteren Nachteile entstehen. Der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin ist zwingend verpflichtet, die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu schützen (vgl. Art. 28 ZGB i.V.m. Art. 328 Abs. 1 OR). Diese Regelung gewährleistet nicht nur einen strafrechtlichen Schutz des oder der Belästigten, sondern auch einen arbeitsrechtlichen bzw. zivilrechtlichen Anspruch gegenüber dem/der Arbeitgebenden, der oder die unter Umständen seine oder ihre Sorgfaltspflicht verletzt, indem er oder sie Präventionsmassnahmen unterlässt. Das Gleichstellungsgesetz (GlG) soll zudem insbesondere vor geschlechterdiskriminierenden Handlungen und Äusserungen schützen.

Gemäss Art. 5 Abs. 3 GlG hat die betroffene Person Anspruch auf eine Entschädigung seitens des oder der Arbeitgebenden, wenn diese/r nicht beweist, dass er oder sie Massnahmen getroffen hat, die zur Verhinderung sexueller Belästigungen notwendig, angemessen und zumutbar gewesen wären. Durch diese Bestimmung wird dem oder der Arbeitgebenden die zwingende Pflicht auferlegt, konkrete Massnahmen zur Verhinderung von sexueller Belästigung anzuwenden. Präventionsmassnahmen wie bspw. das Aufhängen von Merkblättern oder die konkreten Anweisungen in Form von einem Rundmail oder der direkten Ansprache suggerieren der Belegschaft die Bedeutung der Thematik sowie die klare Einstellung gegenüber potenziellen Vorkommnissen. Der oder die Arbeitgebende hat aber nicht die Pflicht, Gerüchten innerhalb der Belegschaft über eine/n Arbeitnehmenden entgegenzutreten, die diese/r selbst veranlasst hat (Vgl. BGE ARV 2002, 84 f.) oder die von Dritten ausgehen (BGE 4A_590/2008, E. 3.3.2).

Basierend auf Art. 5 GlG kann die belästigte Person das Gericht anrufen und beantragen, dass eine sexuelle Belästigung festgestellt und beseitigt bzw. in Zukunft unterlassen wird. Zusätzlich kann der oder die Arbeitgebende zur Zahlung einer Entschädigung über bis zu sechs Monatslöhne, sowie zu Schadenersatz und Genugtuung verurteilt werden. (Vgl. Art. 5 Abs. 3 GIG & Art. 5 Abs. 4 GIG). Da die sexuelle Belästigung bei Gelegenheit der Arbeitsausführung, nicht aber bei der Erfüllung von arbeitsvertraglichen Pflichten begangen wird, wird die Hilfspersonenhaftung ausgeschlossen. Mit anderen Worten fehlt der funktionelle Zusammenhang zwischen der geschäftlichen Verrichtung und dem Schaden (Vgl. Art. 55 OR). Vor dem Schritt ans Gericht kann das Gespräch mit Vorgesetzten aufschlussreich sein und zu einer betriebsinternen Lösung führen. Hierbei kann unter Umständen auch eine Anwältin oder ein Anwalt für Arbeitsrecht hinzugezogen werden. Im Zweifelsfall hat jede Person, die durch eine sexuelle Handlung im Sinne des GlG diskriminiert wird, die Möglichkeit, kostenlos die zuständige kantonale Schlichtungsbehörde für Gleichstellungsfragen zu involvieren. Die Schlichtungsbehörde unternimmt dann einen Vermittlungsversuch zwischen dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin und der durch die sexuelle Belästigung diskriminierten Person.