Eine Untersuchungshaft ist gemäss Art. 221 StPO einzig zulässig, wenn der oder die Beschuldigte eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtigt wird und ein im Gesetz definierter Haftgrund vorliegt. Vorausgesetzt wird nach Art. 221 Abs. 1 StPO ein dringender Tatverdacht in Bezug auf ein Verbrechen oder Vergehen und dazu kumulativ das Vorliegen eines Haftgrundes. Ergänzend zu den zwei Voraussetzungen muss der Grundsatz der Verhältnismässigkeit und der Subsidiarität gewahrt werden. Dabei ist eine Zurückhaltung hinsichtlich der Anordnung einer Untersuchungshaft geboten, wenn eine bedingte Freiheitstrafe oder gemeinnützige Arbeit oder eine Geldstrafe in Erwartung steht (StPO Komm/Riklin, Art. 221 StPO, Rz. 1). Ein dringender Tatverdacht liegt vor, wenn schwerwiegende Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Verbrechens oder Vergehens und für die Täterschaft des Verdächtigen sprechen. Im Verlauf des Verfahrens sollten sich aber die Haftvoraussetzungen zunehmend bestätigen und verdichten. Dabei muss eine Verurteilung nach Durchführung der massgebenden Untersuchungshandlungen als wahrscheinlich erscheinen (BSK StPO/Forster, Art. 221 StPO, Rz. 3; StPO Komm/Riklin, Art. 221 StPO, Rz. 2). Zusätzlich zu den vorgenannten Voraussetzungen muss kumulativ mindestens ein besonderer Haftgrund (Abs. 1 lit. a–c) vorliegen.
Besondere Haftgründe sind Fluchtgefahr, Kollusionsgefahr und Wiederholungsgefahr. Eine Fluchtgefahr liegt vor, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass sich der oder die Beschuldigte, wenn er oder sie in Freiheit wäre, der Strafverfolgung und dem Vollzug der Strafe durch eine Flucht entziehen würde. Als Indizien zur Fluchtgefahr dienen hierbei die Schwere der drohenden Sanktion, wie auch die gesamten Lebensverhältnisse der oder des Beschuldigten. Bei der Kollusions- oder Verdunkelungsgefahr geht es um die Sicherung der Beweislage. Es sollen dabei die Vereitelung und die Gefährdung der wahrheitsgetreuen Abklärung des Sachverhaltes durch die/den Beschuldigte/n verhindert werden. Als Beispiel sei hier die Manipulation oder Beseitigung von Beweismitteln zu nennen. Eine Wiederholungsgefahr ist dann als vorliegend zu betrachten, wenn aufgrund bestimmter Anhaltspunkte ernsthaft zu befürchten ist, dass der oder die Beschuldigte die Sicherheit anderer durch schwere Verbrechen oder Vergehen erheblich gefährden würde. Es muss somit eine sehr ungünstige Rückfallprognose vorliegen, damit eine Präventivhaft angeordnet werden kann (BSK StPO/ Forster, Art. 221 StPO, Rz.6 ff.; StPO Komm/Riklin, Art. 221 StPO, Rz. 3 ff.).
Das Verhätnismässigkeitsprinzip lässt sich aus Art. 31 Abs. 3 BV und Art. 5 Ziff. 3 EMRK ableiten und muss auch bei der Haftdauer berücksichtigt werden. Der Anspruch des Beschuldigten auf eine Aburteilung innert einer angemessenen Frist, wie auch auf Haftentlassung während des Verfahrens sind hierbei zu berücksichtigen. Die Frage nach dem Zeitpunkt, ab wann eine Beurteilung «innert angemessener Frist» erfolgt, beantwortet sich anhand der Schwere des verübten Deliktes. Die Haftdauer kann demnach so lange aufrechterhalten oder verlängert werden, wie die zu erwartenden Freiheitsstrafe dauern würde (Art. 212 Abs. 3 StPO). Die Verletzung des Verhältnismässigkeitsprinzips ist dann zu bejahen, wenn die Haftdauer in zeitlicher Nähe an die zu erwartende Freiheitsstrafe rückt, oder diese bereits überschritten ist (StPO Komm/Riklin, Art. 221 StPO, Rz. 7; Urteil des Bundesgerichtes 1B_379/2019 vom 15. August 2019). Die Frage nach der Haftentlassung ist dann von Relevanz, wenn eine Verfahrensverzögerung besonders schwer wiegt und die Strafverfolgungsbehörden intendieren, das Verfahren mit der für Härtefälle gebotene Beschleunigung voranzutreiben und abzuschliessen (Urteil des Bundesgerichtes 1B_379/2019 vom 15. August 2019 E. 7.4).
Das schweizerische Strafprozessrecht, wie auch die menschenrechtlichen Standards geben keine absolute Höchstdauer für die Untersuchungshaft vor. Als Leitlinie dient dabei die jeweilig in Frage kommende Maximalstrafe, welche nicht durch die Dauer der Untersuchungshaft überschritten werden darf. Die Angemessenheitsprüfung der Frist erfolgt somit anhand des öffentlichen Interesses an einer Haftverlängerung sowie unter Berücksichtigung des Einzelfalls. Gemäss EGMR rechtfertigt sich eine lange Untersuchungshaft, wenn diese mit komplexen, aufwendigen Ermittlungen einhergeht und die Behörden zudem nicht untätig waren. Eine exzessiv lange Untersuchungshaft kann nach dem EGMR und der bundesgerichtlichen Rechtsprechung die Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK/ Art. 10 StPO) und das Beschleunigungsgebot (Art. 6 Abs. 2 EMRK/Art. 31 Abs. 3 BV) tangieren (Künzli/Schultheiss/Frei, 26 ff.; StPO Komm/Riklin, Art. 221 StPO, Rz. 7).