Der vorliegende Beitrag behandelt das Thema Zuweisung der Fälle an die verschiedenen Richter. Der Artikel wurde in der Zeitschrift Justice – Justiz – Giustizia veröffentlicht und von Dr. Dr. Fabian Teichmann, LL.M., Rechtsanwalt in der Schweiz, sowie von Léonard Gerber, Jurist bei der Teichmann International (Schweiz) AG verfasst.
Bei der Wahrnehmung von Aufgaben muss die Justiz nicht nur gegenüber anderen Behörden unabhängig, sondern auch frei von Einfluss politischer Parteien sein. Dieser Punkt ist in der Bundesverfassung in Art. 30 Abs. 1 und in der EMRK in Art. 6 Abs. 1 verankert. Es lässt sich jedoch nicht ausschliessen, dass Richter durch ihre politische Ausrichtung, durch ihre persönlichen Gefühle zu einem bestimmten Fall oder sogar durch Interessenskonflikte mit den Verfahrensbeteiligten beeinflusst werden können. Die Verankerung in der Bundesverfassung soll im Hinblick auf das Recht auf eine regelmässige Zusammensetzung des Gerichts und die Vorschriften über die Ablehnung von Richtern das genannte moralische Risiko beseitigen.
Gemäss Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Abs. 1 EMRK hat jeder Mensch das Recht, dass seine Sache von einem unabhängigen und unparteiischen, auf dem Gesetz beruhendem Gericht beurteilt wird. Mit dieser Garantie soll verhindert werden, dass die Rechtsprechung durch eine ungerechte Auswahl von Richtern, die die Entscheidungsinstanz bilden, beeinflusst wird. Die Gewährleistung regelmässiger Zusammensetzung der Justizbehörde hat zwei Aspekte. Zum einen muss das Kollegialorgan nach den gesetzlichen Vorschriften gebildet werden, insbesondere hinblickend auf die Qualifikation der Mitglieder oder der Beschlussfähigkeit, und zum anderen kann die Unparteilichkeit des zur Entscheidung berufenen Organs eine Anfechtung rechtfertigen.
Das Bundesgericht sieht vor, dass die Zusammensetzung des zur Entscheidung berufenen Gremiums grundsätzlich abstrakt und allgemein geregelt werden. Wichtig ist, dass sie als ein Akt der Verwaltungsautonomie der Justiz erscheint und nicht von einer Seite der Exekutive beeinflusst wird. Der Spruchkörper ergibt sich aus einem Vorsitzenden und einem ordentlichen Richter, welche für die Entscheidung eines Falles zuständig sind. Das Gremium muss über alle Fälle in corpore entscheiden. Es gibt zwei Arten der Verteilung von Fällen. Zum einen werden die Fälle per automatische Zuweisung nach dem Rotationssystem und zum anderen durch den Gerichtspräsidenten zugewiesen. Gerne können Sie sich für weitere Informationen zu Themen wie diesem oder ähnlichen bei unseren Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten in Zürich, Frauenfeld und St. Gallen melden.
Zum Autor: Fabian Teichmann ist Rechtsanwalt in St. Gallen. Er ist ausserdem als öffentlicher Notar tätig und leitet Beratungsgesellschaften in Dubai, Liechtenstein und England. Zudem ist er Lehrbeauftragter an verschiedenen Universitäten im In- und Ausland.
Mehr zu diesem Thema finden Sie in Teichmann, F., & Gerber, L. (2020). La répartition des affaires entre les juges. Justice – Justiz – Giustizia, 4.