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Whistleblowing: procedural and dogmatic problems in the implementation of directive (EU) 2019/1937

Der Artikel befasst sich mit der Problematik der Whistleblower (Hinweisgeber gemäss Richtlinie) sowie deren Schutz durch die Gesetzgebung der Europäischen Union. Der Artikel wurde von Dr. iur. Dr. rer. pol. Fabian Teichmann in Zusammenarbeit mit Chiara Wittmann verfasst und im Journal of Financial Regulation and Compliance im März 2022 publiziert. Da es sich um eine Richtlinie der Europäischen Union handelt, gibt es im Rahmen der Umsetzung durch die Mitgliedstaaten nationale Abweichungen aufgrund unterschiedlicher Interpretationsansätze. Hauptstreitpunkt besteht in der Abwägung der gegensätzlichen Interessen in Hinblick auf die Verhältnismässigkeitsprüfung. So steht das öffentliche Interesse an der Offenlegung der Information den Reputationsbedenken des Unternehmens oder der Behörde sowie den privaten Interessen des Hinweisgebers gegenüber. Jedoch sind die Voraussetzungen für den Schutz von Hinweisgebern äusserst vage formuliert, was potentiell in eine Ausuferung des Hinweisgeberschutzes münden könnte. Gemäss Richtlinie haben Hinweisgeber Anspruch auf Schutz, sofern sie u.a. hinreichenden Grund zu der Annahme hatten, dass die gemeldeten Informationen über Verstösse zum Zeitpunkt der Meldung der Wahrheit entsprachen. Dabei ist jedoch nicht klar, worin ein hinreichender Grund besteht. Der Europäischen Rechtsprechung ist zu entnehmen, dass der Hinweisgeber in Treu und Glauben annehmen muss, dass die Interessenabwägung zu Gunsten der Öffentlichkeit ausfällt. In dieser Hinsicht besteht jedoch die Gefahr, dass Hinweisgeber retrospektiv eine mit Treu und Glauben vereinbare Annahme konstruieren können. Es ist somit ein Leichtes, eine missbräuchliche Geltendmachung des Hinweisgeberschutzes als ethisch korrekt erscheinen zu lassen. Wird der Hinweisgeberschutz gewährt, so ist der Hinweisgeber praktisch vor sämtlichen Konsequenzen des Zivil- und Strafrechts gefeit. Andererseits sieht die Richtlinie vor, dass die Identität des Hinweisgebers preisgegeben werden kann, wenn dies nach Unions- oder Nationalrecht eine notwendige und verhältnismässige Pflicht im Rahmen der Untersuchungen durch nationale Behörden oder von Gerichtsverfahren darstellt. Auch hier führt die vage Formulierung zu Unzulänglichkeiten, denn diese Voraussetzung für die Offenlegung der Identität ist oft gegeben, weswegen die Tragweite des Hinweisgeberschutzes relativiert werden muss.

Zum Autor: Fabian Teichmann ist im Anwaltsregister und im Register der Notare des Kantons St. Gallen eingetragen. Des Weiteren ist er als Lehrbeauftragter an verschiedenen Universitäten im In- und Ausland tätig.

Mehr zu diesem Thema finden Sie in Teichmann, F. & Wittmann, C (2022). Whistleblowing: procedural and dogmatic problems in the implementation of directive (EU) 2019/1937. Journal of Financial Regulation and Compliance. https://doi.org/10.1108/JFRC-12-2021-0118.