Die folgende Abhandlung wurde von Dr. iur. Dr. rer. pol. Fabian Teichmann, LL.M. verfasst und wurde im Jahr 2023 von der Fachzeitschrift «Goltdammer’s Archiv für Strafrecht» publiziert. Darin behandelt der Autor ausgewählte verfahrensrechtliche und dogmatische Herausforderungen des Regierungsentwurfes (RegE) eines Gesetzes für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen (HinSchG). Insbesondere wird dabei auf strafprozessuale Herausforderungen sowie auf das strafrechtlich relevantes Missbrauchspotential eingegangen.
Das RegE zum HinSchG dient der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (nachfolgend WB-Richtlinie). Im Jahr 2021 publizierte die gleiche Zeitschrift eine Abhandlung des gleichen Autors, welche verfahrensrechtliche und dogmatische Probleme der oben genannten WB-Richtlinie aufzeigt. Identische Problemstellungen ergeben sich aus dem RegE für das HinSchG. Einige Problemstellungen haben sich durch das HinSchG sogar verschärft. Insbesondere sieht der Autor eine Gefahr im Umstand, dass ungerechtfertigte Whistleblowing-Meldungen über Personen erstattet werden, ohne dass die meldende Person belangt werden kann. Damit man die Person belangen könnte, müsste man der meldenden Person einen dolus directus im Hinblick auf eine böswillige Meldung nachweisen. Die Betroffenen werden sich in der Praxis stets darauf berufen, dass ein hinreichender Grund für die Annahme eines Fehlverhaltens bestanden habe. Somit gewährleistet das HinSchG ein risikoarmes Missbrauchspotential für Rufmordkampagnen, wie beispielsweise Industriespionage oder unwahre Meldungen über sexuelle Belästigungen.
Der zentrale Ausgangspunkt für Missbrauchsmöglichkeiten des HinSchG, welcher besondere Beachtung verdient, bildet der gemäss § 8 HinSchG erforderliche «hinreichende Grund zur Annahme». Ein im Zeitpunkt der Meldung hinreichender Grund zur Annahme, dass die gemeldeten Informationen Verstösse beinhalten, welche in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen, bildet die Voraussetzung, damit ein Hinweisgeber vom Schutzbereich des HinSchG erfasst wird. Missbräuchliches Verhalten kann nur dann strafrechtlich relevant sein, wenn man den Nachweis einer falschen Meldung erbringen kann, die wider besseres Wissen getätigt wurde. Dass der Nachweis in der Praxis nur selten erbracht werden kann, zeigen auch die niedrigen Verurteilungszahlen i.S.v. § 164 StGB auf, die trotz zahlreicher Verfahren vorliegen.
Der Autor hält fest, dass der «hinreichende Grund zur Annahme» (vgl. § 8 HinSchG) als Hinweis auf das Erfordernis eines Tatsachenvortrags, welcher den Beweiswert eines hinreichenden Verdachts haben müsse, gedeutet werden könne. Eine Einzelfallabwägung sei jedoch notwendig. Der Autor erwähnt an dieser Stelle explizit, dass aufgrund der normativen Fragestellung auch andere Ansichten vertretbar seien.
Den Verdachtsbegriff definiert der Autor anhand einer auf Beweisen oder Indizien beruhenden Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigte eine Straftat begangen habe. Dabei sind bestimmte Tatsachen mit kriminalistischen und kriminologischen Erkenntnissen zu kombinieren. Ein verlangter objektiv begründbarer Verdacht setzt voraus, dass sich der Verdacht auf eine konkrete Straftat und eine konkrete Person bezieht. Ein Verdacht darf sich nicht auf reine Vermutungen abstützen, sondern muss vielmehr durch überprüfbare Tatsachen belegt werden können. Die StPO sieht verschiedene Grade des Verdachts vor, nämlich der blosse Verdacht, der Verdacht, welcher durch bestimmte Tatsachen begründet sein muss und der dringende Tatverdacht.
Die Schwierigkeit einer Umsetzung der WB-Richtlinie liegt darin, dass ungerechtfertigte von gerechtfertigten Whistleblower-Meldungen unterschieden werden müssten. Einerseits muss der Schutz der Whistleblower gewährleistet werden, anderseits dürfen ungerechtfertigte Meldungen keine nachhaltige Schädigung bei natürlichen und juristischen Personen hinterlassen. Für diese Unterscheidung wäre es denkbar, adäquate Instrumente aus dem Strafprozessrecht analog anzuwenden. Auch wenn Meldungen, welche strafprozessuale Zwangsmassnahmen auslösen nicht mit Whistleblowing-Meldungen vergleichbar sind, liegen Ähnlichkeiten in der Verdachtsprüfung vor. Der Verdachtsbegriff aus dem Strafprozessrecht kann somit wertvolle Anregungen liefern.
Der Autor diskutiert die Rolle des Verdachts kritisch, indem er sich mit der Schutzfunktion, dem Erfordernis überprüfbarer Tatsachen sowie mit verschiedenen Verdachtsgraden, der Rolle des Verdachts und mit möglichen Implikationen in das HinSchG detailliert auseinandersetzt.
Der Autor nennt die Verdachtsgrade, welche für verschiedene strafprozessuale Handlungen vorausgesetzt werden. So werden beispielsweise für die Anordnung von Untersuchungshaft ein dringender Tatverdacht, für Polizeiermittlungen jedoch lediglich geringe Anhaltspunkte vorausgesetzt. Die quantitativen Anforderungen an den Verdacht sind überaus normativ und nur ansatzweise objektiv zu bestimmen. Sowohl die Literatur als auch die Rechtsprechung haben versucht, Einzelfallbegründungen in jeweilige Kategorien einzuordnen und den Verdacht als unbestimmten Rechtsbegriff mit Beurteilungsspielraum zu etablieren. Ein identischer Ansatz könnte auch für die Konkretisierung des Verdachtsbegriffs hinsichtlich des HinSchG sinnvoll sein. Für die Whistleblower besteht stets das Risiko, dass bei der Beurteilung einer Meldung der Verdacht nicht als ausreichend angesehen wird. Eine Umgehungsmöglichkeit bildet eine alternative Meldung an die Strafverfolgungsbehörden. Der erforderliche Verdachtsgrad lässt sich nur aufgrund einer Einzelfallbeurteilung ermitteln, wobei jedoch der Grundsatz «umso schwerer der Vorwurf, desto höher die Anforderungen an den Verdacht» gelten sollte. Das öffentliche Recht hingegen verwebdet den Begriff der Gefahr. Setzt man beim Begriff der Gefahr an, so resultiert dies in eine identische Problematik, wie beim Verdachtsbegriff. Sowohl der Verdacht als auch die Gefahr können nämlich nur auf Tatsachen begründet angenommen werden. Auch hier wird die Aussagekraft der Tatsachen relevant. Der Gefahrenbegriff kann dadurch gemeinsam mit dem Verdacht abgehandelt werden. Wie ist jedoch mit Whistleblowing-Meldungen umzugehen, die nicht auf Tatsachen basieren? Die Problematik besteht vorliegend darin, dass Whistleblower, die solche Meldungen tätigen, trotzdem in den Schutzbereich des HinSchG fallen. Der einzige Lösungsansatz zur Verhinderung von missbräuchlichen Whistleblowing-Meldungen und dem daraus resultierenden Whistleblower-Schutz sieht der Autor darin, dass der Whistleblower seine Meldung mit belegbaren Tatsachen untermauern muss. Muss der Whistleblower belegbare Tatsachen vorbringen, kann bei missbräuchlichen Meldungen einerseits ein besonderer Kündigungsschutz verhindert werden, anderseits riskiert ein bösgläubiger Melder eine straf- und zivilrechtliche Belangung. Die Richtigkeit und die Bedeutsamkeit der Tatsachen müssen jedoch nicht vollständig geklärt sein. Ansichten oder Bewertungen ohne Tatsachenbehauptungen fallen aus dem Schutzbereich des HinSchG.
Eine erhebliche Erschwerung erfährt die Problematik dadurch, dass auch anonyme Meldungen getätigt werden können. Nutzt der Whistleblower einen vom HinSchG vorgesehenen Kanal für anonyme Meldungen, so muss die Meldung nämlich ohne Möglichkeit auf Rückfragen geprüft werden. Diese Problematik besteht aufgrund der Möglichkeit zur anonymen Anzeige ebenfalls bei Strafverfolgungs- sowie Steuerbehörden in Deutschland. Für anonyme Whistleblowing-Anzeigen ist jedoch festzuhalten, dass sowohl Strafverfolgungs- als auch Steuerbehörden besser auf anonyme Anzeigen vorbereitet und besser ausgebildet sind als interne Whistleblowing-Meldestellen. Unrichtige Anschuldigungen bei Strafverfolgungs- und Steuerbehörden haben weiter einen weniger gravierenden Einschnitt für unschuldige Betroffene zur Folge. Es können Vernehmungen oder Betriebsprüfungen angesetzt werden, jedoch resultieren diese lediglich in Unannehmlichkeiten und nicht in nicht wieder gut zu machende Nachteilen. Hier greift der oben erwähnte Schutzmechanismus der Verdachtsprüfung. Erfolgt beispielsweise eine anonyme Meldung bezüglich eines sexuellen Übergriffs i.S.v. § 177 Abs. 1 StGB bei der Polizei, so kann ein unrichtiger anonymer Vorwurf im Rahmen einer Vernehmung ohne nachhaltige Rufschädigung beseitigt werden. Erfolgt jedoch eine identische unrichtige anonyme Meldung beim Arbeitgeber, greifen zwar die Schutzmechanismen und Verschwiegenheitspflichten aus § 8 Abs. 1 HinSchG, jedoch hinterlässt eine solche Meldung, auch wenn sie sich als unbegründet erweist, beim Arbeitgeber einen faden Beigeschmack. Dies kann beispielsweise hinsichtlich einer Beförderung des Betroffenen problematisch sein. Auch für den Arbeitgeber können Konsequenzen entstehen, falls dieser den Betroffenen befördert hat, zu einem späteren Zeitpunkt jedoch sexuelle Übergriffe auftreten. Die Verschwiegenheitspflicht (§ 8 HinSchG) kann dieser Problematik nicht umfassend begegnen. Zur Überprüfung der Meldung müssen nämlich Vorgesetzte konsultiert werden. Unrichtige anonyme Meldungen bei internen Meldestellen sind dadurch problematischer für die Betroffenen als anonyme Meldungen bei externen, neutralen Behörden. Für den Gesetzgeber ist diese Problematik nur eingeschränkt lösbar. Whistleblower, welche in Schädigungsabsicht handeln, werden ihre Meldung wohl an den Arbeitgeber richten wollen, da dieser Weg ein höheres Schädigungspotenzial bietet. An dieser Stelle offenbart sich erneut, dass sowohl das Missbrauchspotenzial anonymer Meldungen einzugrenzen ist als auch der Schutz gutgläubiger Whistleblower gewährleistet werden muss. Ein Lösungsansatz widerspiegelt sich darin, dass man den Verdachtsgrad bei anonymen Whistleblowing-Meldungen höher ansetzt als bei nicht anonymen Meldungen. Dadurch wird die betroffene Person geschützt. Einfache Verdachte können bei Meldestellen nicht anonym oder bei den Strafverfolgungsbehörden anonym oder nicht anonym gemeldet werden. Anonyme Meldungen bedürfen jedoch der Untermauerung mit beweisbaren Tatsachen. Auch diese Lösung gewährleistet eine Abwägung zwischen den Interessen der gemeldeten und der meldenden Personen. Dem Missbrauchspotential muss insbesondere durch eine sorgfältige Prüfung der Meldungen und einer Sensibilisierung der Meldestellen begegnet werden. Beruhigen wirkt, dass anonyme, nicht mit Tatsachen belegte Meldungen eine geringere potenzielle Schadenswirkung entfalten.
Die Meldestelle hat den Verdacht jeweils zu prüfen, wobei diese die Geheimhaltungspflichten wahren muss. Die Prüfung verlangt vorab die Quantifizierung der Wahrscheinlichkeit. Unbekannte Tatsachen werden dabei aus bekannten Sachverhaltselementen abgeleitet. Hinsichtlich der Erkennbarkeit von Wahrscheinlichkeitsgraden kann u.a. auf den Prima-Facie-Beweis abgestellt werden. Die deutsche höchstrichterliche Rechtsprechung stellt auf ein allgemeines Evidenzempfinden ab. Der Verdacht muss gleichzeitig plausibilisiert werden, wobei die Plausibilisierung begründet werden muss. Daraus resultiert eine Kontrollmöglichkeit. Die Begründungspflicht dient der Lückenschliessung zwischen dem Verdachtsbegriff und den subsumierten Fakten.
An dieser Stelle ist festzuhalten, dass der Verdacht überprüfbar sein muss. Das BVerfG hat in der Vergangenheit regelmässig Verdachtsannahmen ohne konkrete Tatsachen kritisiert. Natürlich sind interne Whistleblowing-Meldungen nicht an die gleichen Voraussetzungen wie die für die Auferlegung von Zwangsmassnahmen geltenden Anforderungen gebunden. Ein Mindestmass an Überprüfbarkeit muss jedoch vorausgesetzt werden, wobei der genaue Verdachtsgrad einer Einzelfallbeurteilung unterliegt. Je grösser die Folgen der Meldung sein dürften, desto höhere Anforderungen sollten an den Verdachtsgrad gestellt werden.
Ein wenig erforschtes und mit wenig Rechtsprechung belegtes Feld ist jenes, welches sich mit der Aussagekraft der Tatsachen beschäftigt. Dazu wäre eine Abstufung ein geeignetes Mittel. Eine mögliche Schwelle wäre jene, welche für die Anzeige bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft gilt. Da für eine Strafbarkeit i.S.v. § 164 StGB immer dolus directus gefordert wird, könnte die oben genannte Schwelle jedoch zu niedrig angesetzt sein. Dadurch wird die Möglichkeit erschaffen, dass jedermann Sachverhalte zur Anzeige bringen kann, welche ihm verdächtig erscheinen, ohne eine Strafbarkeit befürchten zu müssen. Der Gedanke ist, dass die Verdachtsprüfung den Strafverfolgungsbehörden obliegen soll. Im Rahmen von Whistleblowing-Meldungen ist die Verdachtsprüfung durch die Meldestellen jedoch problematisch. Der Autor fragt sich an dieser Stelle, aus welchem Grund die Anzeigeerstattung bei Polizei oder Staatsanwaltschaft durch ein Geflecht aus Meldestellen komplementiert werden sollte. Weiter stellt er sich die Frage, ob Meldestellen oder Ämter für die Annahme solcher Meldungen besser geeignet sind als die erfahrenen und ausgebildeten Strafverfolgungsbehörden. Einen Erklärungsansatz sieht der Autor in der geringeren Hemmschwelle, die im Kontakt mit Meldestellen besteht. Die niedrigere Hemmschwelle bietet neben den gutgläubigen Whistleblowern auch böswilligen, missbräuchlich vorgehenden Whistleblowern einen erleichterten Zugang. Das RegE enthält zudem Sicherheitsvorkehrungen gegen den Missbrauch von Meldestellen. Darunter fallen insbesondere die Geheimhaltungs-, Prüfungs- und Antwortpflicht der Meldestelle (vgl. §§ 8, 17, 28 und 29 HinSchG). Der Grund für die Einrichtung anonymer Meldestellen in Unternehmen ist, dass aus den Abklärungen häufig ersichtlich ist, wer Meldung erstattet hat, davon betroffen ist und gegen wen sich der Vorwurf richtet. Trotz Geheimhaltungspflichten für Meldestellen, welche mit jenen der Staatsanwaltschaft zu vergleichen sind, besteht bei der Konsultation unternehmensinterner Meldestellen trotzdem die Gefahr des Durchsickerns von Informationen. Diese Gefahr ist aufgrund des Dienstgeheimnisses bei Meldungen an die Staatsanwaltschaft geringer, da eine Verletzung dieses schärfer sanktioniert wird als der Verstoss gegen Geheimhaltungspflichten der Meldestellen (vgl. § 353b Abs. 1 StGB). Falls man davon ausgeht, dass Whistleblowing-Meldungen auf Tatsachen basieren müssen, damit diese weiterverfolgt werden, geht von der geringeren Fachkompetenz der Meldestelle im Vergleich zur Polizei und Staatsanwaltschaft sowie vom internen Durchsickern von Informationen das grösste Risiko für den Gemeldeten aus. Interne Abklärungen können ungewollt den Vorwurf und den Adressaten offenlegen. Da für den Melder die Pflicht zum Vorbringen von Tatsachen besteht, stellt sich an dieser Stelle die Frage, wie hoch der Beweiswert sein muss und welchen Verdachtsgrad man für eine «Meldebefugnis» fordern will. Festhalten lässt sich, dass der Whistleblower im Rahmen interner oder externen Meldungen i.S.d. WB-RL und der RegE zumindest einen einfachen Verdacht begründen können muss, indem er beweisbare Tatsachen vorträgt. Der Beweiswert muss dabei niedrig angesetzt werden, da das zu hohe Ansetzen eine Meldungserstattung verunmöglichen würde.
Im Falle, dass ein Whistleblower gestützt auf § 31 HinSchG seine Vermutung bei einer Zeitung melden will, wird ein anderer Massstab vorausgesetzt. Ihm steht dadurch, nach Ausschöpfung der Meldemöglichkeit, ein Instrument zur Verfügung, mit welchem er geschützt falsche Behauptungen in die Öffentlichkeit bringen kann. Schadenersatzpflicht besteht nur bei grober Fahrlässigkeit. Kann ein Whistleblower keine auf Tatsachen beruhende oder nur eine auf unrichtig dargestellten Tatsachen beruhende Meldung erstatten, muss er damit rechnen, dass die Meldung nicht weiterverfolgt wird. Die interne oder externe Nichtverfolgung sollte an dieser Stelle jedoch nicht den Gang zur Presse rechtfertigen dürfen. Wäre das der Fall, könnten nämlich interne oder externe, unrichtige bzw. unvollständige pro forma-Meldungen getätigt werden und gestützt auf die Untätigkeit des Unternehmens die Presse informiert werden. Das HinSchG äussert sich nicht eindeutig zum Umgang mit solchen unrichtigen bzw. unvollständigen Meldungen. Als Anforderung für den Gang an die Presse plädiert der Autor für einen hinreichenden Verdacht. Für das Verbot der Offenlegung unrichtiger Informationen (§ 31 Abs. 1 HinSchG) ist davon auszugehen, dass dolus directus verlangt wird. Insbesondere der Wortlaut von § 35 Abs. 2 HinSchG wird immer eine plausible Argumentation zulassen, wieso der Whistleblower einen hinreichenden Grund zur Annahme gehabt haben könnte. Auch hier muss folglich das Wort «hinreichend» im Lichte der strafprozessualen Verdachtsdefinition betrachtet werden, welche wiederum die für einen hinreichenden Verdacht erforderlichen Tatsachen voraussetzt. Für interne und externe Meldungen sollte ein einfacher Verdacht genügen. Für den Gang an die Öffentlichkeit wiederum sollte ein hinreichender Verdacht vorausgesetzt werden. Wer keine Tatsachen vorweisen kann, sollte sich an die Strafverfolgungsbehörden wenden. Wer solche Tatsachen jedoch vorweisen kann, sollte die Möglichkeit zur Whistleblowing-Meldung offen stehen. Die Daseinsberechtigung des HinSchG sieht der Autor lediglich darin, dass das Gesetz eine geringere Hemmschwelle für Meldungen erschafft. Vorfälle, die nicht zur Anzeige gebracht wären, gehen aufgrund des HinSchG vermehrt als Meldung ein. Aus Arbeitgebersicht ist das HinSchG ebenfalls wünschenswert, da es ein internes Verfahren gewährleistet. Der Gesetzgeber vertraut an dieser Stelle darauf, dass relevante interne Meldungen an die Polizei bzw. an die Staatsanwaltschaft gemeldet werden. Ob dieses Outsourcing der Entgegennahme von Meldungen über strafbare Sachverhalte zielführend ist, bleibt fraglich. Aus Arbeitnehmersicht ist das HinSchG aufgrund umfassender Schutzinstrumente, beispielsweise aufgrund des Kündigungsschutzes, attraktiv. Das HinSchG dient somit vorab der Umsetzung der WB-RL und liefert keinen erheblichen Mehrwert.
Der Autor hält abschliessend fest, dass das HinSchG erhebliche Schwachstellen aufweist, welche er aus der WB-RL übernommen hat. Die Meldemöglichkeit ohne Einbezug von Strafverfolgungsbehörden birgt erhebliche Missbrauchsrisiken. Kritisch betrachtet wird der Umstand, dass das altbewährte System mit Einbezug der Strafverfolgungsbehörden aufgegeben wurde. Das neue System bilde einen Freischein für Rufmord. Auf mit der im HinSchG statuierten Verschwiegenheitspflicht kann ein Durchsickern von Informationen bzw. eine Herleitung der Verwürfe und des Adressaten dieser nicht verhindert werden. Whistleblowing sollte immer durch belegbare Tatsachen erfolgen. Ist dies nicht möglich, sollte man bei der Polizei bzw. bei der Staatsanwaltschaft Anzeige erstatten. Wer eine interne oder externe Meldung tätigt bzw. sich sogar für den Gang an die Presse entscheidet, muss mit einer straf- bzw. zivilrechtlichen Belangung rechnen. Den einzigen Lösungsansatz zwischen dem Schutz des Whistleblowers und dem Schutz der gemeldeten Person sieht der Autor in einer detaillierten Prüfung des Verdachts und der zwingenden überprüfbaren Tatsachen. Das Erfordernis der belegbaren Tatsachen sollte vom Gesetzgeber für den Schutz durch das HinSchG berücksichtig werden. Es muss mindestens ein einfacher Verdacht im Sinne der StPO begründet werden können. Jedoch ist vorliegend eine gewisse Schwelle zu wahren, damit Rufmordkampagnen verhindert und sanktioniert verhängt werden können. Der Schutz beider Seiten ist folglich zu beachten. Für nicht anonyme interne und externe Meldungen muss ein einfacher Verdacht vorausgesetzt werden. Anonyme Meldungen und der Gang an die Presse bedürfen jedoch eines hinreichenden Tatverdachts. Jeder Verdacht bedarf der Belegung durch Tatsachen. Werden tatsachenlose Vermutungen vorgetragen, ist der Gang an die Strafverfolgungsbehörden zu empfehlen. Dabei ist der Person, die einen begründeten Verdacht bei den Strafverfolgungsbehörden vorgebracht hat, mindestens der gleiche Schutz wie dem Whistleblower zu gewährleisten. Sofern die Person keine Tatsachen bei den Strafverfolgungsbehörden vorbringt, muss diese, falls sie nicht wider besseres Wissen gehandelt hat, keine strafrechtlichen Konsequenzen befürchten. Wer eine solche Meldung jedoch ohne Vorbringen von Tatsachen bei einer Meldestelle tätigt, sollte sich der straf- und zivilrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten bewusst sein. Ansonsten könnte man vorliegend von einer Legalisierung der Ehrverletzungsdelikte sprechen.