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Verlängerung der Untersuchungshaft im Rahmen der COVID-19 Pandemie

Unsere Anwälte in Zürich, Frauenfeld und St. Gallen behandeln alltäglich strafprozessrechtliche Sachverhalte. Dr. Dr. Fabian Teichmann, Rechtsanwalt in St. Gallen, Marie-Christin Falker, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Teichmann International, sowie Jan Koch, juristischer Mitarbeiter bei Teichmann International, haben sich in einem Kommentar zu einem Bundesgerichtsentscheid im dRSK in Bezug auf die Verlängerung der Untersuchungshaft im Rahmen der COVID-19-Pandemie geäussert.

Durch die COVID-19-Pandemie sind viele Fragen entstanden, die in der Judikatur und Literatur noch nicht angemessen geklärt sind. Unter anderem inwiefern die Pandemie als Ausnahmefall eine Verlängerung einer Untersuchungs- bzw. Sicherheitshaft rechtfertigt. Im vorliegenden Kommentar sollen die Besonderheiten des Entscheids verdeutlicht werden.

Gemäss dem Sachverhalt werden dem Beschwerdeführer A. versuchter Raub, mehrfache Sachbeschädigung und Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz vorgeworfen. A. wurde am 28. Mai 2019 verhaftet und am 31. Mai 2019 in Untersuchungshaft versetzt, welche stetig verlängert wurde. Am 22. April 2020 wurde von der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl Anklage gegen ihn erhoben. Die Staatsanwaltschaft beantragte eine Verurteilung zu sieben Monaten Freiheitsstrafe und CHF 200 Busse sowie die Anordnung einer stationären Massnahme gemäss Art. 59 Abs. 1 StGB. Parallel wurde beim zuständigen Zwangsmassnahmegericht die Anordnung von Sicherheitshaft beantragt. Das Zwangsmassnahmegericht verfügte somit am 28. April 2020 die Sicherheitshaft, welche 6 Monate, bis zum 28. Oktober 2020, gewährt wurde. Darauf erhob A. Beschwerde beim Obergericht des Kantons Zürich. Am 25. Mai 2020 lehnte das Obergericht die Beschwerde ab, woraufhin A. sich an das Bundesgericht wandte und Aufhebung des Urteils des Obergerichts des Kantons Zürich sowie die Befristung der Sicherheitshaft bis zum 24. Juli oder längstens bis zur Eröffnung des bezirksgerichtlichen Urteils beantragte.

Das Zwangsmassnahmegericht begründet die Gewährung der Haftverlängerung um sechs Monate damit, dass aufgrund der COVID-19-Pandemie eine bezirksgerichtliche Hauptverhandlung kaum innert drei Monaten fertiggestellt werden könne. Das Obergericht Zürich behauptete, dass die Verlängerung zulässig sei, da der Haftgrund auch nach mehr als drei Monaten vorhanden wäre. Diese Begründung widerspreche jedoch dem Ausnahmecharakter von Art 227 Abs. 7 StPO. Eine Beurteilung des Vorhandenseins eines Ausnahmefalls basiert auf dem Aufwand der Vorbereitung für die Hauptverhandlung verbunden mit der Komplexität des Falls. Das Bundesgericht bekräftigt, dass die Corona-Krise keine ausreichende Begründung für eine Haftverlängerung sei, da im Home-Office das Aktenstudium auch gelingen kann. Unsere Rechtsanwälte in Frauenfeld, Zürich und St. Gallen können Sie gerne zu diesem Themenbereich beraten.

Zum Autor: Fabian Teichmann ist Rechtsanwalt und Notar in St. Gallen. Er leitet Beratungsgesellschaften in Liechtenstein, Vereinigten Königreich und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Ausserdem unterrichtet er regelmässig Kurse an verschiedenen Hochschulen zu Compliance-Thematiken.

Mehr zu diesem Thema finden Sie in Teichmann, F., Falker, M.C., & Koch, J. (2020). Bundesgericht, Strafrechtliche Abteilung, Urteil 1B_292/2020 vom 6. Juli 2020, A. gegen Obergericht Zürich –Verlängerung der Untersuchungshaft im Rahmen der COVID-19 Pandemie. dRSK.