In diesem für die Rubrik «Forum» vom «Anwalts Revue de L’Avocat» verfassen Artikel befassen sich Dr. iur. Dr. rer. pol. LLM. Fabian Teichmann, Alicia Köb und Celine Hürlimann mit den strafrechtlichen Aspekten der Sterbehilfe und den damit verbundenen (möglichen) Fallen für Anwälte und Notare. Die. Autoren geben einen Überblick über die verschiedenen Definitionen, die Lehre und die Rechtsprechung zu diesem Thema. Zudem werden Empfehlungen für Anwälte und Notare abgegeben.
Als erstes befasst sich der Artikel mit den verschiedenen Begriffen, die mit dieser Thematik im Zusammenhang stehen. Grundsätzlich wird eine Verhaltensweise, die den Eintritt des Todes bewirkt oder mindestens beschleunigt, als Sterbehilfe bezeichnet. Da diese ausschliesslich von Drittpersonen geleistet werden kann, handelt es sich dabei immer um eine Fremdtötung. Der Artikel definiert weitere Begriffe, die im Zusammenhang mit der Sterbehilfe stehen und grenzt sie voneinander ab. Die Sterbehilfe i.e.S. ist die tatbestandsmässige Tötung, durch Tun oder Unterlassen, einer leidenden, unheilbar kranken Person in der Endphase ihres Lebens. Im Gegensatz dazu, bezeichnet die Sterbehilfe i.w.S. die Tötung, durch Tun oder Unterlassen, von kranken oder verletzten Personen, bei denen das Stadium der unmittelbaren Todesnähe noch nicht erreicht ist. Des weiteren wird zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe unterschieden. Die aktive Sterbehilfe besteht in einem aktiven Handeln und unterscheidet die aktive direkte und die aktive indirekte Sterbehilfe. Demgegenüber besteht die passive Sterbehilfe darin, dass auf den Einsatz von lebenserhaltenden Massnahmen verzichtet wird, wie zum Beispiel ein Verzicht auf Reanimationsmassnahmen. Abzugrenzen von der aktiven und passiven Sterbehilfe ist die Suizidbeihilfe. Beschafft eine Person einem Suizidwilligen, der die Auswirkungen seines Vorhabens zum massgeblichen Zeitpunkt kennt, die Mittel für die Selbsttötung, bleibt sie nach schweizerischem Recht straflos. Injiziert ein Sterbebegleiter den tödlichen Stoff, so hat er die Tatmacht inne und die Tat ändert sich in eine aktive Sterbehilfe. Organisationen wie Dignitas oder Exit werden umgangssprachlich oft als «Sterbehilfeorganisationen» bezeichnet. Tatsächlich bieten sie nur eine Beihilfe zum eigenverantwortlichen Suizid an und stützen sich dabei auf Art. 115 StGB.
Unter dem Titel «Tatbestand» beschreiben die Autor-/innen die Folgen der verschiedenen Arten der Sterbehilfe. Gemäss dem schweizerischen Strafrecht ist die aktive Fremdtötung und damit auch die aktive Sterbehilfe ausdrücklich verboten. Eine solche gezielte Tötung kann als vorsätzliche Tötung nach Art. 111 StGB, als Totschlag gemäss Art. 113 StGB oder als Tötung auf Verlangen nach Art. 114 StGB qualifiziert werden. Bezüglich der indirekten aktiven Sterbehilfe gibt es in der Schweiz keine ausdrückliche Regelung. Dabei findet keine gezielte Fremdtötung statt, sondern sie wird als unbeabsichtigte, aber vermeidbare Nebenfolge einer medikamentösen Behandlung in Kauf genommen. Auch die passive Sterbehilfe ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Diese ist nur strafbar, wenn der Täter eine Garantenstellung innehatte und daher in der Lage gewesen wäre, die gebotene Rettungshandlung vorzunehmen.
Des weiteren beschäftigen sich die Autor-/innen mit den Lehrmeinungen und der Rechtsprechung zu diesem Thema. Die Art und den Zeitpunkt der Beendigung des eigenen Lebens selbst zu bestimmen ist gemäss dem schweizerischen Bundesgericht als europäisch garantiertes Grundrecht anzuerkennen. Voraussetzung dafür ist, dass eine Person urteilsfähig ist. Auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte geht in die gleiche Richtung. In einem Urteil im Fall «Widmer gegen die Schweiz» hat die EKMR entschieden, dass die Nichtaufnahme der Strafverfolgung nicht gegen die EMRK verstosse.
In der Literatur werden Rechtfertigungsgründe für die direkte aktive Sterbehilfe diskutiert. Zum Teil wird der individuelle Anspruch auf Autonomie höher gewichtet als der Lebensschutz. Zudem wird ein übergesetzlicher Rechtfertigungsgrund von der Lehre in Betracht gezogen. Betreffend die indirekte Sterbehilfe komme es auf den Vorsatz an. Eine andere Meinung schlägt vor, dass die indirekte aktive Sterbehilfe aus dem Bereich der Tötungsdelikte auszuklammern sei. Gemäss den Autor-/innen ist dieser Ansatz nicht schlüssig, da die Heilungspflicht des Arztes mit der Tötungshandlung kollidiert. Eine andere Lehrmeinung vertritt die Auffassung, dass eine tatsächliche oder mutmassliche Einwilligung die indirekte aktive Sterbehilfe rechtfertigen kann. Art. 114 StGB stellt jegliche Form der Fremdtötung und das Töten auf Verlangen unter Strafe, lediglich eine mildere Strafe ist möglich. Weitere Gründe, die die indirekte aktive Sterbehilfe teilweise erlauben sind die verfassungsrechtliche Güterabwägung zwischen der Lebenserhaltungspflicht des Arztes und der persönlichen Freiheit. Auch auf die Lehre des Doppeleffektes kann als Rechtfertigung zurückgegriffen werden. Keine der oben genannten Begründungen für die Zulassung der indirekten aktiven Sterbehilfe überzeugt nach Ansicht der Autor-/innen. Es lässt sich jedoch feststellen, dass die indirekte aktive Sterbehilfe nach dem heute geltenden Recht begründet werden kann.
Bezüglich der passiven Sterbehilfe ist festzuhalten, dass sie grundsätzlich als zulässig erachtet wird, wenn die intensivmedizinischen Behandlungen, die abgelehnt werden, den bevorstehenden Tod sowieso nur hinausgezögert hätten. Zudem geht bei urteilsfähigen Personen das Recht auf Selbstbestimmung dem Lebensschutz vor. Mit dem überwiegenden Interesse am Selbstbestimmungsrecht kann im Gegensatz dazu, bei Urteilsunfähigen nur beschränkt argumentiert werden.
Die Autor-/innen raten Anwälten und Notaren davon ab, ihren Klienten den Wunsch nach Sterbehilfe zu erfüllen. Dies gilt vor allem dann, wo ein Mandat als Willensvollstrecker besteht. Äussert ein Klient einen solchen Wunsch, so ist er an geeignete Spezialisten zu verweisen.