Der folgende von Dr. iur. Dr. rer. pol. Fabian Teichmann, LL.M. und Carla Staubli verfasste Artikel wurde im Jahr 2022 in der Fachzeitschrift «Kriminalistik» publiziert. Darin befassen sich die Autoren mit modernen Kommunikationsmitteln, welche datenschutztechnisch hohe Sicherheitsstandards aufweisen. Die Problematik besteht dabei darin, dass die gewährte Datensicherheit ebenfalls den Kriminellen zugutekommt.
Die StPO räumt den Strafverfolgungsbehörden eine Durchsuchungsbefugnis im Hinblick auf gewisse Gegenstände ein, wenn die Vermutung besteht, dass die Gegenstände der Beschlagnahme unterliegende Informationen enthalten (Art. 246 StPO). Der Inhaber der Gegenstände kann i.S.v. Art. 248 StPO die Sofortmassnahname einer Siegelung der Gegenstände geltend machen. Diese bewirkt, dass die Gegenstände von den Strafverfolgungsbehörden weder durchsucht noch verwendet werden dürfen. Falls die Strafverfolgungsbehörden nicht innert 20 Tagen ein Entsiegelungsgesuch stellen, so müssen die Aufzeichnungen und Gegenstände dem Inhaber retourniert werden (Art. 248 Abs. 2 StPO).
Die Möglichkeit zur Löschung von Nachrichten in modernen, privaten Messenger-Diensten wie beispielsweise Telegram kommt, gepaart mit dem strafprozessualen Schutzinstrument der Siegelung, im Falle einer Durchsuchung von Aufzeichnungen den Kriminellen entgegen. Während des Entsiegelungsverfahrens können Nachrichten nämlich gelöscht werden. Unter Umständen können somit für die Strafverfolgung elementare Beweismittel nicht erfasst werden. Die Autoren veranschaulichen die Messenger-Dienste Signal, Telegram und Threema. Dabei werden problembegründende Aspekte im Hinblick auf Einsicht in Nachrichten aufgezeigt. Die angesprochenen Messenger ermöglichen nämlich unter anderem das anonyme Verfassen selbstlöschender und löschbarer Nachrichten, welche aufgrund der Speicherung auf ausländischen Servern regelässig nicht wiederherstellbar sind. Weiter können gesicherte private Chats eingerichtet werden, welche beispielsweise nur durch Eingabe eines Passwortes einsehbar sind.
Solche Chats werden unter anderem für die Planung von Straftaten benützt. Haben die Strafverfolgungsbehörden keinen Zugriff auf diese, können relevante Beweismittel nicht erhoben werden. Die zeitliche Dimension eines Siegelungsverfahrens ermöglicht einer mutmasslichen Täterschaft nämlich die Löschung der (beweiskräftigen) Nachrichten. Die Entschlüsselung der Sicherheitsvorkehrungen für private Chats ist ebenfalls zeitintensiv, wodurch die Tür für die Möglichkeit zur Löschung von Nachrichten erneut geöffnet wird.
Das deutsche Strafprozessrecht sieht keine direkten Siegelungsinstrumente vor. Vielmehr muss bei der Verweigerung der Herausgabe eine Beschlagnahme gerichtlich angeordnet werden. Kann eine solche Anordnung erfolgreich erwirkt werden, besteht für Betroffene nur der Weg über das Zeugnisverweigerungsrecht. Das oben erwähnte Problem ist in Deutschland folglich weniger einschneidend.
In Österreich existier die Möglichkeit zur Siegelung. Aufgrund ähnlicher Bedingungen wie in der Schweiz existieren auch in Österreich für eine potenzielle Täterschaft weitgehende Möglichkeiten zur Löschung von belastenden Nachrichten.
Die Autoren sehen einen möglichen Lösungsansatz für die Problematik verschlüsselter Chats darin, dass die Technologie der Quellen-TKÜ angewendet werden könnte. Diese Art der Telekommunikationsüberwachung erfasst die Nachrichten nämlich, bevor diese verschlüsselt werden. Eine entsprechende Software wäre jedoch direkt auf den entsprechenden Zielgeräten zu installieren. Die Quellen-TKÜ bildet ein personalintensives Unterfangen, welches ein einzelfallbezogenes Vorgehen fordert. Diskutiert werden auch grundrechtliche Aspekte, in welche die Technologie des Quellen-TKÜ eingreifen könne. Für die Anwendung dieser Technologie könnte das BÜPF als gesetzliche Grundlage fungieren. Somit erfordert die Anwendung der Quellen-TKÜ ein besonders schweres Delikt sowie die gerichtliche Genehmigung. Ebenfalls genannt wird die israelische Software «Pegasus». Diese bietet umfangreiche Überwachungsmöglichkeiten und kann über das Internet auf das Zielgerät installiert werden, ohne dass die Betroffenen Wind davon bekommen. In Deutschland und Österreich ist die Anwendung der Software verboten. In der Schweiz wird diese jedoch angewendet. Die Autoren stellen sich auf den Standpunkt, dass die Anwendung aus grundrechtlicher Perspektive nicht zu vertreten sei und allenfalls sogar die Kerngehalte grundrechtlicher Garantien verletzt könne. Die Erstellung einer Sicherheitskopie von relevanten Chats käme ebenfalls als Lösung in Betracht. Diese dürfte im Falle einer Siegelung jedoch auch nicht von den Strafverfolgungsbehörden ausgewertet werden. Im Falle eines Erfolges im Entsiegelungsverfahren könnte die Sicherheitskopie auch dann verwendet werden, wenn in der Zwischenzeit Löschungen vorgenommen wurden. Erschwert wird der Zugriff durch Sicherheitsschranken wie beispielsweise Passwörter. Die Abschaffung der Siegelungsmöglichkeit sehen die Autoren als weitreichenden Eingriff in die Grundrechte an, welcher sogar den Kerngehalt zu verletzen vermag.
Abschliessend lässt sich festhalten, dass die technischen Möglichkeiten weiter entwickelt sind als die gesetzlichen Regelungen. Dem Problem muss demnach durch die Weiterentwicklung technischer Möglichkeiten für die Strafverfolgungsbehörden begegnet werden.