Der Artikel kommentiert zwei Urteile des Bundesgerichts, wonach die Rechtsprechung nicht durch eine gezielte Selektion der Richter beeinflusst werden darf. Der Artikel wurde von Dr. iur. Dr. rer. pol. Fabian Teichmann in Zusammenarbeit mit Dr. Arthur Brunner verfasst und im August 2019 in der Fachzeitschrift Digitaler Rechtsprechungs-Kommentar (dRSK) veröffentlicht. Die Urteile beschäftigten sich mit der Organisation der Gerichte im Kanton Basel-Stadt und insbesondere mit den Vorschriften zur Bildung von Spruchkörpern, die für die richterliche Arbeit verantwortlich sind.
Das Strafgericht Basel-Stadt hat ein Organisationsreglement erstellt, das die Bildung von Spruchkörpern im Detail festlegte. Dabei spielte die Verteilung von Fällen auf verschiedene Abteilungen eine wichtige Rolle. Der Beschwerdeführer hat beim Bundesgericht die Aufhebung dieses Organisationsreglements beantragt, insbesondere mit der Begründung, dass die Bildung von Spruchkörpern verfassungsrechtliche und konventionsrechtliche Vorgaben nicht erfülle und die Delegation dieser Aufgabe an die Kanzlei problematisch sei. Das Bundesgericht hat daraufhin seine bisherige Praxis zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben in Hinblick auf die Spruchkörperbildung erläutert. Gemäss dieser bundesgerichtlichen Rechtsprechung dürfen Gerichte nicht speziell für einen Einzelfall gebildet werden. Somit ist die gezielte Auswahl der Richter, welche geeignet ist, die Rechtsprechung zu beeinflussen, verboten. Ein gewisser Ermessensspielraum darf jedoch eingeräumt werden, wenn das Verfahrensrecht keine klaren Regeln zur Spruchkörperzusammensetzung enthält. Der Artikel verweist auch auf die Lehrmeinungen, die unterschiedliche Ansichten zur Zusammensetzung von Spruchkörpern vertreten. Einige argumentieren, dass eine Manipulation ausgeschlossen werden könne, wenn jeder Richter im Voraus benannt ist, während andere die Meinung vertreten, dass die Flexibilität bei der Bildung von Spruchkörpern notwendig sei, solange sie auf sachlichen Kriterien beruht.
Das Bundesgericht stellt fest, dass die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und insbesondere das Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6 EMRK) keine weitergehenden Ansprüche vermitteln als das Verfassungsrecht in der bisherigen Auslegung des Bundesgerichts. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat zwar die Anwendbarkeit von Art. 6 Zif. 1 EMRK auf die Bestellung des Spruchkörpers im Einzelfall bestätigt und Verletzungen festgestellt, wenn nationale Vorschriften über die Zusammensetzung des Spruchkörpers offensichtlich missachtet wurden oder eine nachträgliche Umstellung von Fällen nicht auf transparente, vorhersehbare Kriterien gestützt wurde. Allerdings hat der EGMR auch entschieden, dass eine gewisse Flexibilität in der Spruchkörperbildung erlaubt ist, solange sachliche Kriterien berücksichtigt werden. Die EMRK verlangt nicht zwingend, dass jegliches Ermessen ausgeschlossen wird, solange abstrakte Kriterien im Voraus definiert werden und die Spruchkörperbildung als Akt der Selbstverwaltung der Justiz erscheint und nicht dem Einfluss der Exekutive unterliegt. Das Bundesgericht hebt hervor, dass abstrakte Kriterien im Voraus definiert werden, um einen Ausgleich zwischen freier und schematischer Bildung von Spruchkörpern zu schaffen. Schliesslich weist das Bundesgericht darauf hin, dass verschiedene Kantone die Fallzuteilung und die Spruchkörperbildung an den Gerichten in die Hände des vorsitzenden Mitglieds legen, ohne detaillierte inhaltliche Vorgaben zu machen. Eine mögliche Praxisverschärfung könnte zu einer institutionellen Krise in verschiedenen Kantonen führen. Daher sollten die Kantone in Erwägung ziehen, ihre Justizorganisation zeitgemäss zu gestalten und klare Kriterien für die Spruchkörperbildung festzulegen, um den verfassungsrechtlichen Anforderungen zu genügen.
Fabian Teichmann ist Rechtsanwalt, öffentlicher Notar und Unternehmensberater. Er ist auch als Lehrbeauftragter an verschiedenen Universitäten tätig, wo er sich eingehend mit strafrechtlichen Themen beschäftigt.
Mehr zu diesem Thema finden Sie in Teichmann, F. & Brunner, A. (2019). Spruchkörperbesetzung an (Straf-)Gerichten. Besprechung der Urteile des BGer 1C_187/2017 und 1C_327/2017 vom 20. März 2018. Digitaler Rechtsprechungs-Kommentar (dRSK).