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Rechtliche Herausforderungen von Wirtschaftssanktionen für Schweizer Finanzdienstleister

Die Publikation "Practical Considerations Regarding the Implementation of Economic Sanctions by Swiss Financial Service Providers" von Fabian Maximilian Johannes Teichmann und Chiara Wittmann erörtert die rechtlichen Herausforderungen und Implikationen der Umsetzung von Wirtschaftssanktionen in der Schweiz. Es unterstreicht die Notwendigkeit robuster Mechanismen zur Bekämpfung der Geldwäsche (AML) und die kontinuierliche Anpassung der Sorgfaltspflichtverfahren. Dieses Papier befasst sich auch mit der Bedeutung klarer Definitionen und Compliance-Rahmen, um eine effektive Umsetzung von Sanktionen zu gewährleisten.

Die Entscheidung der Schweiz, im Einklang mit der Europäischen Union (EU) und den Vereinten Nationen (UN) Wirtschaftssanktionen gegen Russland zu verhängen, bedeutete eine bedeutende Veränderung gegenüber ihrer traditionellen Neutralitätshaltung. Dieser Schritt wurde durch beträchtlichen internationalen Druck beeinflusst und zielte darauf ab, die russische Aggression in der Ukraine einzudämmen. Während die politische Entscheidung zur Verhängung von Sanktionen auf internationaler Ebene getroffen wird, liegt die Verantwortung für die Umsetzung bei den nationalen Institutionen, insbesondere den Finanzdienstleistern. Die Autoren befassen sich mit dem rechtlichen Rahmen, den Herausforderungen, der Methodik und ihren drei wichtigsten Erkenntnissen.

Rechtliche Rahmenbedingungen und Einhaltung

  • Sanktionsvorschriften und AML: Die Wirksamkeit von Sanktionen hängt stark von einem robusten AML-Rahmen ab. Schweizer Finanzinstitute müssen sich an die Empfehlungen der Financial Action Task Force (FATF) und die EU-Richtlinien halten, die eine umfassende Sorgfaltspflicht gegenüber Kunden (CDD) und eine kontinuierliche Überwachung zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung vorschreiben.
  • Schweizer Verordnung: Die Schweizer "Verordnung über Massnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine" enthält spezifische Beschränkungen, wie z.B. ein Verbot von Einlagen russischer Staatsangehöriger oder juristischer Personen, die 100.000 CHF übersteigen. Dies erfordert genaue rechtliche Definitionen und Compliance-Mechanismen, um die Einhaltung zu gewährleisten.

Herausforderungen bei der Einhaltung von Rechtsvorschriften

  • Umgehungstaktiken: Eine der grössten Herausforderungen sind die ausgeklügelten Methoden, die Kriminelle zur Umgehung von Sanktionen einsetzen. Dazu gehören die Verwendung von Strohmännern, Online-Finanzdienstleistungen, gefälschten Dokumenten und legitimen Geschäftsfronten, um die Herkunft und den Bestimmungsort von Geldern zu verschleiern. Juristen müssen diese Taktiken erkennen können, um die Einhaltung der Vorschriften wirksam durchzusetzen.
  • Begrenzte Ressourcen: Kleinere Finanzinstitute haben möglicherweise Probleme mit den umfangreichen Ressourcen, die für eine gründliche Einhaltung der Vorschriften erforderlich sind. Dazu gehören die Kosten, die mit einer verstärkten Sorgfaltspflicht, regelmässigen Prüfungen und Schulungsprogrammen verbunden sind. Trotz dieser Herausforderungen kann die Nichteinhaltung der Vorschriften erhebliche Geldstrafen und rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
  • Politische und rechtliche Angleichung: Die Nichtmitgliedschaft der Schweiz in der EU bringt zusätzliche Herausforderungen mit sich. Die Schweizer Gesetze müssen rasch an die neuen EU-Sanktionspakete angepasst werden, oft unter grossem Zeitdruck. Dies erfordert effiziente rechtliche Verfahren und die Zusammenarbeit zwischen Regulierungsbehörden und Finanzinstituten.
  • Sprachliche Hürden: Rechts- und Compliance-Beauftragte haben oft Probleme mit fremdsprachigen Dokumenten, insbesondere mit solchen in kyrillischen Schriftzeichen. Dies erschwert den Überprüfungsprozess und erhöht das Risiko eines Versehens.
  • Wirtschaftliche Eigentümerschaft: Die Identifizierung der wahren wirtschaftlichen Eigentümer von Vermögenswerten ist für die Einhaltung von Gesetzen entscheidend. Kriminelle nutzen oft komplexe Strukturen, um ihre Identität zu verschleiern. Rechtsexperten müssen sicherstellen, dass die Compliance-Beauftragten gut geschult sind, um diese versteckten Beziehungen aufzudecken.
  • Kosten der Einhaltung: Die finanzielle Belastung durch die Einhaltung von Vorschriften ist erheblich. Grosse Institute wie UBS wenden jährlich Hunderte von Millionen Franken für die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften auf. Diese Kosten umfassen die Implementierung fortschrittlicher Technologien, die Durchführung interner Audits und die laufende Schulung der Mitarbeiter.

Methodik

Die Untersuchung umfasste 70 Experteninterviews mit Compliance-Beauftragten und mutmasslichen Kriminellen, um die Methoden der Geldwäsche und der Umgehung von Sanktionen zu verstehen. Eine anschliessende Umfrage unter 200 Compliance-Beauftragten half, gängige Praktiken und Schwachstellen in den derzeitigen Compliance-Mechanismen zu ermitteln.

Wichtigste Ergebnisse

  • Einzahlungsbeschränkungen: Das Einlagenverbot für russische Staatsangehörige und Körperschaften erfordert klare rechtliche Definitionen und Schwellenwerte, um wirksam zu sein. Diese Beschränkung soll die Wirtschaftsbeziehungen stören und den sanktionierten Staaten Kosten auferlegen.
  • Internationale Zusammenarbeit: Eine wirksame Umsetzung von Sanktionen erfordert eine starke internationale Zusammenarbeit. Die Schweizer Finanzinstitute müssen sich an die EU-Vorschriften anpassen und eine einheitliche Anwendung in den verschiedenen Rechtsordnungen sicherstellen.
  • Verstärkte Sorgfaltspflicht: Die rechtlichen Rahmenbedingungen müssen verbesserte Sorgfaltsprüfungsverfahren unterstützen. Dazu gehören regelmässige Aktualisierungen von Compliance-Protokollen und der Einsatz fortschrittlicher Technologien zur Überwachung und Analyse von Transaktionsmustern.

Mehr zu diesem Thema finden Sie in Fabian Teichmann, Chiara Wittmann (2023). https://www.emerald.com/insight/content/doi/10.1108/JMLC-12-2022-0167/full/html