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Problematik der teilweisen retrospektiven Konkurrenz

Unsere Rechtsanwälte in Frauenfeld, St. Gallen und Zürich üben Ihre Expertise täglich in strafrechtlichen, wirtschaftsrechtlichen, arbeitsrechtlichen und weiteren Gebieten aus. Der vorliegende Beitrag veranschaulicht das Thema der Problematik der teilweisen retrospektiven Konkurrenz und wurde in der Zeitschrift forumpoenale veröffentlicht. Geschrieben wurde er von Dr. Dr. Fabian Teichmann, Rechtsanwalt in St. Gallen, sowie von Dr. Madeleine Camprubi, Rechtsanwältin bei Teichmann International (Schweiz) AG.

Eine retrospektive Konkurrenz liegt vor, wenn eine frühere Straftat (retrospektive Straftat) erst aufgedeckt wird, nachdem ein Strafurteil zu weiteren Delikten gefällt wurde. Nicht alle Straftaten der teilweisen retrospektiven Konkurrenz sind retrospektiv, sondern nur einzelne davon. Im Interesse der Rechtsgleichheit nach Art. 49 Abs. 2 StGB ist sicherzustellen, dass die Strafzumessung bei Delikten in echter Konkurrenz auf dem Prinzip der Aspiration beruht. Demnach soll der Beschuldigte nicht schwerer bestraft werden, als wenn die strafbaren Handlungen gleichzeitig beurteilt worden wären. Das Bundesgericht beschränkt die Garantie hierbei auf inländische Strafurteile und stellt grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Fällung des Ersturteils ab.

Im Hinblick auf die teilweise retrospektive Konkurrenz sind Art. 49 Abs. 1 StGB und Art. 49 Abs. 2 StGB im Spannungsverhältnis. Dieser besondere Fall wird auch nicht vom Gesetz geregelt. Es ist schwierig, beide Zielsetzungen beider Absätze zu vereinbaren. Art. 49 Abs. 1 StGB verlangt, dass das Zweitgericht für alle noch nicht beurteilten Delikte eine Gesamtstrafe fällt, wobei nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Beschuldigte nicht schwerer bestraft wird, als wenn die retrospektiven Delikte im Rahmen des Ersturteils beurteilt worden wären. Hingegen verlangt Art. 49 Abs. 2 StGB, dass eine Zusatzstrafe für Delikte, die vor dem Ersturteil verübt wurden, gefällt wird. Es gibt allerdings eine unbeantwortete Frage, nämlich in welchem Verhältnis diese Zusatzstrafen zu den Delikten stünden, die nach dem Ersturteil begangen wurden.

Seit dem Bundesgerichtsentscheid 145 IV 1 unter dem Titel Präzisierung führte es dazu, dass die beinahe 90 Jahre festgehaltene Praxis durch eine etwas weniger komplizierte Lösung ersetzt wurde. Gemäss der später neu angewandten Praxis sollen retrospektive Straftaten separat von den noch nicht beurteilten, nicht retrospektiven Delikten beurteilt werden. Für jeweilige Deliktsgruppen sollen getrennte Strafen vorgesehen und kumuliert werden. Dies bedeutet, dass es für eine Anwendung des Asperationsprinzips genügt, wenn die für sie konkret infrage kommende Startart gleich ist wie diejenige des Ersturteils. Bei Fragen oder Anliegen können Sie gerne unsere Rechtsanwälte für Strafrecht in Frauenfeld, St. Gallen und Zürich kontaktieren.

Zum Autor: Fabian Teichmann ist Rechtsanwalt und Notar in der Schweiz. Des Weiteren leitet er Beratungsgesellschaften in England, Liechtenstein und Dubai.

Mehr zu diesem Thema finden Sie in Teichmann, F. & Camprubi, M. (2020). Problematik der teilweisen retrospektiven Konkurrenz – Zusammenspiel von Art. 49 Abs. 1, Abs. 2 und Art. 46 Abs. 1 Satz 2 StGB nach der neueren Bundesgerichtspraxis. Forumpoenale, 3, 209–214.