In diesem Beitrag aus der Zeitschrift «forumpoenale» von 2019 nehmen die beiden Autoren Dr. iur, Dr. rer. pol. LLM., Fabian Teichmann und Dr. iur. Marco Weiss Stellung zum oben genannten Urteil vom 7. Februar 2018.
Sachverhalt: Die StA I ZH führte gegen A.C. und ihren Ehemann B.C. eine Strafuntersuchung wegen Menschen- handels und anderen Delikten. Es wurde ihnen vorgeworfen, dass sie mehrere Frauen (illegal und in ausbeuterischer Weise) aus dem asiatischen Raum, insbesondere unter falschen Versprechungen in die Schweiz geschleust und als private Haushaltshilfen bzw. Hundebetreuerinnen beschäf- tigt hätten. Hinsichtlich der ihnen vorgeworfenen Handlungen gegen das Ausländergesetz waren die Beschuldigten geständig, nicht aber bezüglich des Vorwurfs des Menschenhandels. Die Beschuldigten stellten Ausstandsbegehren gegen die untersuchungsleitende Staatsanwältin, mit denen geltend gemacht wurde, die Staatsanwältin habe die Verfahrensrechte in eklatanter Art und Weise verletzt. Das OGer ZH wies die Ausstandsgesuche ab. Auf Beschwerde der Be- schuldigten hin hiess das BGer die Ausstandsbegehren gut.
Vorliegend stellte sich die Frage, ob die untersuchungsleitende Staatsanwältin den Tatbestand der Befangenheit aufgrund prozessualer Fehler erfüllt oder nicht. Der Tatbestand findet sich in Art. 56 lit. f StPO unter dem Auffangtatbestand der «anderen Gründe». Der Anspruch auf ein unparteiisches und unvoreingenommenes Gerichts-bzw. Verwaltungsverfahren wird von unterschiedlichen Normen in der Verfassung und der EMRK geschützt. Eine Garantie auf ein fehlerhaftes Verhalten lässt sich aus diesen Normen nicht ableiten. Verfahrensfehler wie auch Fehleinschätzungen können auf allen Ebenen der Justiz vorkommen. Den Zustand der Befangenheit nachzuweisen, erweist sich somit als schwieriges Unterfangen.
In diesem Beitrag beschreiben die Autoren die Voraussetzungen der ersten Komponente des Tatbestandes nach Art. 56 lit. f StPO in Bezug auf die Befangenheit. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung besteht Befangenheit, wenn Umstände vorliegen, die den Anschein der Befangenheit und die Gefahr der Voreingenommenheit begründen können. Dabei ist die besondere Intensität der Verfahrensfehler entscheidend. Krasse oder ungewöhnlich häufige Fehlleistungen der Untersuchungsleitung, die eine schwere Verletzung der Amtspflichten darstellen und sich einseitig zulasten einer der Prozessparteien auswirken, werden berücksichtigt.
Die untersuchungsleitende Staatsanwältin hat vorliegend mehrere prozessuale Fehler begangen. Es lag eine erhebliche, krasse kumulative Anhäufung von Verfahrensfehlern zulasten von A.C. und B.C. vor, die mit dem Anspruch der beschuldigten Person auf ein faires Verfahren nicht mehr vereinbar sind. Diese kumulative Häufung von schwerwiegenden Verfahrensfehlern hätte von der Vorinstanz beachtet werden müssen. Die Autoren stimmen der Einschätzung des Bundesgerichtes, dass ein Ausstand nach Art. 56 lit. f StPO zu bejahen gewesen wäre, zu.