Die beiden Autoren Dr. iur. Dr. rer. pol. LLM. Fabian Teichmann und Léonard Gerber kommentieren in diesem Beitrag die neue Praxis des Bundesgerichts zu Dashcams in Zusammenhang mit dem veröffentlichten Bundesgerichtsentscheid BGE 147 IV 16.
In diesem Fall geht es um die Verwertbarkeit einer gefilmten Szene eines Verkehrsdeliktes, in einem Strafverfahren. Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts sind von Privatpersonen rechtmässig gesammelte Beweise, uneingeschränkt verwertbar. Rechtswidrig, von Privatpersonen, gesammelte Beweise unterliegen gemäss Rechtsprechung den gleichen in Art. 141 StPO festgehaltenen Kriterien wie die rechtswidrigen gesammelten Beweise von Behörden. Sie sind nur verwertbar, wenn sie rechtmässig hätten gesammelt werden können und die Interessenabwägung zugunsten der Verwertbarkeit spricht. Das Bundesgericht musste im vorliegenden Fall vorab prüfen, ob die Videoaufzeichnung eine widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung basierend auf Art. 12 DSG darstellt. Vorliegend war die vorgenommene Videoaufzeichnung für die gefilmte Person nicht erkennbar und sie konnte ihre Rechte als Dateninhaberin nicht geltend machen. Somit lag eine widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung vor. In früheren Urteilen brach das BGer die Prüfung der Rechtswidrigkeit in diesem Stadium ab und berief sich darauf, dass die Rechtswidrigkeit erfüllt sei, sobald sich eine Verletzung von Art. 12 DSG ergibt. In späteren Urteilen lässt das Bundesgericht zaghaft die Möglichkeit eines Rechtfertigungsgrundes, der die Rechtswidrigkeit der Persönlichkeitsverletzung aufheben kann, zu. Aus dem vorliegenden Urteil BGE 147 IV 16 ergibt sich eine klare Praxisänderung. Das BGer ist der Ansicht, dass bei der Prüfung der Rechtswidrigkeit, eine zweistufige Prüfung vorzunehmen ist. Somit ist ein Beweismittel uneingeschränkt verwertbar, wenn die Rechtswidrigkeit einer Persönlichkeitsverletzung durch einen Rechtfertigungsgrund aufgehoben werden kann. Im vorliegenden Fall lag kein Rechtfertigungsgrund vor, jedoch weist das Bundesgericht darauf hin, dass weitergehend zu prüfen ist, ob die Schwere der Straftat die Verwertbarkeit des unrechtmässigen Beweises basierend auf Art. 141 Abs. 2 StPO rechtfertigt. Die Schwere der Straftat war im vorliegenden Fall nicht ausreichend, um die Verwertbarkeit zu rechtfertigen.
Gemäss den Autoren ist diese Praxisänderung begrüssenswert, da sie sich auch der Praxis im deutschen Recht annähert. Gemäss dem deutschen Gerichtshof kann damit die allzu häufige Situation vermieden werden, dass mangels Verwertbarkeit von Dashcam-Aufnahmen, ein Mangel an Beweisen besteht. Auch im Zusammenhang mit den technologischen Entwicklungen im Strassenverkehr, wie beispielsweise Autos, die selbst Daten sammeln, erscheint die Änderung angebracht.
Abschliessend halten die Autoren fest, dass gemäss der neuen Praxis, Videoaufzeichnungen und Aufnahmen von privaten Dashcams in Strafverfahren verwertet werden dürfen, wenn sie rechtmässig erlangt wurden, insbesondere, wenn sich die Privatperson auf einen Rechtfertigungsgrund nach Art. 13 DSG berufen kann. Liegt kein solcher Rechtfertigungsgrund vor, so muss die Straftat eine gewisse Schwere erlangen um die Verwertbarkeit zu rechtfertigen.