Der Artikel wurde von Dr. iur. Dr. rer. pol. Fabian Teichmann, LL.M. verfasst und wurde im Jahr 2022 in der Fachzeitschrift «Journal für Strafrecht» publiziert. Darin geht der Autor auf das SRVG ein, welches mittels Ermöglichung einer Sperrung, Einziehung und Rückerstattung von Vermögenswerten ausländischer politisch exponierter Personen (PEPs) dem internationalen Kampf gegen Korruption dienen soll. Vermögenswerte bilden dabei die ganze Bandbreite an materiellen und immateriellen sowie beweglichen und unbeweglichen Gütern. Der Autor diskutiert Problematiken, welche dieses Gesetz mit sich bringt. Unter anderem werden schwere Eingriffe im Zusammenhang mit Grund- und Menschenrechten besprochen. Insbesondere unter Betrachtung bestehender Umgehungsmöglichkeiten des SRVG verneint der Autor eine Verhältnismässigkeit der oben genannten Eingriffe in die Grund- und Menschenrechte.
Im Jahr 2015 erließ der schweizerische Gesetzgeber das Bundesgesetz über die Sperrung und die Rückerstattung unrechtmäßig erworbener Vermögenswerte ausländischer politisch exponierter Personen (SRVG) zum Schutze des Finanzplatzes Schweiz. Dieses Gesetz ersetzte im Jahr 2016 das bereits seit 1977 bestehende RuVG. Die Schweiz hat damit Pionierarbeit geleistet und eine gesetzliche Grundlage für Non-Conviction-Based Confiscation of Assets geschaffen.
Art. 3 Abs. 1 SRVG legt die Bedingungen fest, unter denen der Bundesrat die Sperrung von Vermögenswerten in Verbindung mit PEPs in der Schweiz im Rahmen möglicher Rechtshilfeanfragen anordnen kann. Solche Sperrungen sind nur erlaubt, wenn die Bedingungen von Art. 3 Abs. 2 SRVG kumulativ erfüllt sind. Scheitert die Rechtshilfezusammenarbeit, so ist Art. 4 SRVG einschlägig. Gemäß Art. 3 SRVG ist eine Sperrung ursprünglich auf vier Jahre begrenzt. Unter spezifischen Bedingungen kann der Bundesrat die Sperrung um jeweils ein Jahr verlängern, jedoch darf die Gesamtdauer zehn Jahre nicht überschreiten.
Gemäß Art. 14 Abs. 1 SRVG kann der Bundesrat das EFD ermächtigen, die klageweise Einziehung von Vermögenswerten vor dem Bundesverwaltungsgericht durchzuführen. Das Gericht ist unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet, die Klage gutzuheißen. Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt keine Verjährung für Strafen oder Strafverfolgung. Zusätzlich statuiert Art. 15 SRVG eine Vermutung der Unrechtmäßigkeit. Ein außergewöhnlich hoher Vermögensanstieg gemäß Art. 15 Abs. 1 lit. a SRVG wird angenommen, wenn ein erhebliches Missverhältnis zwischen dem legalen Einkommen einer Person und dem Vermögensanstieg besteht, das nicht angemessen oder im Kontext des Landes nicht erklärbar ist. Die Vermutung von Art. 15 SRVG kann nur widerlegt werden, wenn die Rechtmäßigkeit des Vermögenserwerbs mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden kann. Diese Beweislastumkehr verstösst gegen die Unschuldsvermutung von Art. 6 Abs. 2 EMRK.
Zum SRVG besteht kaum Rechtsprechung, da PEPs das Gesetz leicht umgehen können. PEPs, welche Vermögenswerte höchstwahrscheinlich durch Korruption, ungetreue Geschäftsbesorgung oder andere Verbrechen erworben haben, werden jene Vermögenswerte wohl nicht selbst halten, sondern dafür Strohleute einsetzen. Wurden dabei vertrauenswürdige Strohleute ausgewählt, bleibt die tatsächliche Verfügungsmacht über die Vermögenswerte bei den PEP, hat der Strohmann vorzugsweise einen schweizerischen Wohnsitz und ist der Geldzufluss plausibel, so drohen Art. 3 Abs. 1 lit. a, b und c SRVG ins Leere zu laufen. Dabei sollte der Strohmann die Vermögenswerte über eine juristische Person halten. Eine solche kann nämlich erleichtert Vermögensverfügungen tätigen. Als Beispiel dient die Übertragung von Aktien. Die juristische Person sollte dabei als Aktiengesellschaft ausgestaltet sein, da der Name des Gründers nicht im Handelsregister einzutragen ist. Eine gegründete Aktiengesellschaft sollte, um möglichst wenig Aufmerksamkeit zu generieren, dann auch operativ tätig sein. Somit können ausländische PEPs und ihre Strohleute durch einfache Umgehungsmassnahmen verhindern, dass sie in den Anwendungsbereich des SRVG fallen.
Insgesamt stützt sich die Verhältnismässigkeit eines Grundrechtseingriffes, welcher mit dem SRVG zu verbinden ist, auf wenig Zuspruch. Dabei ist insbesondere von der in der EMRK garantierten Unschuldsvermutung und von der Eigentumsgarantier im Sinne der Bundesverfassung zu sprechen. Insbesondere wird die mangelnde Verhältnismässigkeit durch die leichtfertigen Umgehungsmöglichkeiten des SRVG untermauert. Es kann folglich festgehalten werden, dass das SRVG ins Leere laufen dürfte und das SRVG nicht umfassend zur Bekämpfung der Korruption auf internationaler Ebene dienen kann.
Abschliessend muss man hervorheben, dass der Zweck des schweizerischen Gesetzgebers nobel ist. Geschickte Potentaten dürften jedoch wohl auf Strohleute zurückgreifen. Non-Conviction-Based Confiscation of Assets sind demnach nur dort eine Lösung, wo keine Strohleute eingesetzt werden. Vielmehr müssen zur internationalen Korruptionsbekämpfung weitere Ansätze verfolgt werden. Der Umstand, dass kaum Rechtsprechung zu dieser Problematik besteht, liegt daran, dass aufgrund kompetenter Beratungsdienstleistungen die Aufbewahrung und Verwaltung von Vermögenswerten unter den Klarnamen der PEPs eine Seltenheit darstellen wird. Weiter müsste festgehalten werden, dass die maximale Sperrdauer von Vermögenswerten im Umfang von zehn Jahren gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK verstossen dürfte. Der Kampf gegen die internationale Korruption kann nicht zur Folge haben, dass elementare rechtsstaatliche Garantien wie beispielsweise die Unschuldsvermutung ausgehebelt werden.