Staatsanwaltschaften im deutschsprachigen Raum treffen im Rahmen von Rechtshilfe- und Wirtschaftsstrafverfahren oftmals auf osteuropäische Staatsanwaltschaften. Die Ermittlungsergebnisse dieser ausländischen Staatsanwaltschaften spielen dabei eine entscheidende Rolle. Allerdings gab es in der Vergangenheit begründete Bedenken, dass Strafverfahren in Osteuropa anfällig für Manipulationsversuche sind. Solche manipulierten Strafverfahren stellen eine Herausforderung für die Justizvollstreckung im deutschsprachigen Raum dar, vor allem im Hinblick auf europäische und internationale Haftbefehle, da sich die deutschsprachigen Länder nicht mehr auf die von osteuropäischen Staatsanwälten ermittelten Fakten verlassen können. Der vorliegende Artikel soll das notorisch korrupte Justizsystem von Osteuropa unter die Lupe nehmen. Verfasst wurde der Beitrag von Dr. Dr. Fabian Teichmann, Rechtsanwalt in der Schweiz und Chiara Wittmann. Bei weiteren Informationen zum Thema Rechtshilfe- und Wirtschaftsstrafverfahren erteilen Ihnen unsere Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen in St. Gallen, Zürich und Frauenfeld gerne weiter Auskunft.
Als erstes soll der Karriereweg der Staatsanwälte erläutert werden, wodurch die Allgegenwärtigkeit der Korruption aufgezeigt werden soll. Bereits das Studium ist von Korruption geprägt, beispielsweise durch die Fälschung von Zeugnissen zur Erlangung der Zulassung oder die Fälschung von Ergebnissen. Das stellt die Kompetenz der Staatsanwälte in Osteuropa in Frage, da es sein kann, dass sie ihre Abschlüsse erkauft haben. Dies wirkt sich auf die Qualität der Ermittlungen und auf die Wahrscheinlichkeit unerlaubter Eingriffe aus. Das bedeutet jedoch nicht, dass ein osteuropäisches Jurastudium wertlos ist und dass alle osteuropäischen Staatsanwälte verurteilt werden können. Viele osteuropäische Staatsanwälte sind äußerst kompetent. Dennoch kann die Tatsache, dass es die Möglichkeit gibt, einen juristischen Abschluss zu "kaufen", nicht ignoriert werden. Nach Abschluss des Studiums geht der Weg weiter zur Staatsanwaltschaft. Hervorragende Noten sind keineswegs eine Garantie für eine Anstellung, denn wenn man die finanziellen Mittel hat, kann man sich gute Noten kaufen. Wenn ein Bewerber über gute Beziehungen verfügt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass er für eine Stelle in Betracht gezogen wird, wesentlich größer. Allerdings reichen persönliche Kontakte allein nicht aus, um den begehrten Posten als Staatsanwalt zu erhalten. Vielmehr ist es notwendig, den Kontakten, die die Einstellung ermöglicht haben, zu "danken". Es entspricht der Praxis und den lokalen Gepflogenheiten in vielen osteuropäischen Ländern, dass wichtige oder sehr begehrte Stellen nur gegen eine Steuerzahlung vergeben werden. Diese Zahlung steht im Verhältnis zu den späteren Verdienstmöglichkeiten des Bewerbers. Bei den Verdienstmöglichkeiten handelt es sich jedoch nicht um das offizielle Gehalt des Staatsanwalts auf dem Papier. Vielmehr richtet sich die Bemessung der damit einhergehenden Bestechung nach den zu erwartenden zusätzlichen Einnahmen aus illegalen Quellen während der Zeit als Staatsanwalt.
Dieses System führt zu einer Vorauswahl von Personen, die wahrscheinlich besonders anfällig für Korruption sind. Es ist davon auszugehen, dass sich grundsätzlich Personen, die ein solches System gutheißen, um eine aktive Rolle darin bewerben werden. Sie scheinen bereit zu sein, die Augen vor der systembedingten Korruption zu verschließen.
Das oben dargelegte System wirft die praktische Frage auf, in welchem Zusammenhang Bestechungsgelder erhoben werden und welche Auswirkungen diese auf die Strafverfahren im deutschsprachigen Raum haben. Rechtshilfeverfahren beruhen in der Regel auf Vorwürfen, die im Ausland erhoben werden. Werden Fälle aus dem frei erfunden, gehen die deutschen Staatsanwälte von substanzlosen Behauptungen aus. Auch kann es vorkommen, dass ganze Strafverfahren manipuliert werden, indem Beweise verzerrt, verfälscht oder gezielt manipuliert werden. Manipulationstaktiken führen zu einer Verzerrung von Sachverhalten und Verfahren, die im deutschsprachigen Raum eine ungeeignete Grundlage für Verfahrenshandlungen bilden.
Diese Erfahrung hat gezeigt, dass es sich lohnt, zu überprüfen, ob gegen die Beteiligten unter den in den Rechtshilfegesuchen aufgeführten Aktenzeichen tatsächlich ein Strafverfahren geführt wird. Es lohnt sich auch, in der sachlichen Darstellung des Verfahrens nach Beweisen zu suchen, da einzelne Beweismittel aufschlussreich sein können. Vorsicht ist auch in Wirtschaftsstrafsachen geboten. Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass fremde Tatsachen vorgetäuscht worden sein könnten, sollte man mit Vorwürfen der Geldwäsche vorsichtig sein und von Korruptionsdelikten Abstand nehmen.
Zum Autor: Fabian Teichmann ist Rechtsanwalt in der Schweiz, Notar in St. Gallen sowie niedergelassener Europäischer Rechtsanwalt in Liechtenstein. Des Weiteren ist er als Lehrbeauftragter an verschiedenen Universitäten im In- und Ausland tätig.
Mehr zu diesem Thema finden Sie in Teichmann, F. & Wittmann, C. (2022). International Implications of Corruption in Eastern European Prosecution Offices: A Field Report. Journal of Financial Crime.