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Humanitäre Hilfe für Afghanistan als strafbare Terrorismusfinanzierung im Sinne von Art. 260quinqies des schweizerischen StGB

Im vorliegenden Beitrag, welcher von Dr. iur. Dr. rer. pol. Fabian Teichmann, LL.M. geschrieben und im Jahr 2022 von der Fachzeitschrift «Zeitschrift für Internationale Strafrechtswissenschaft» publiziert wurde, behandelt der Autor die Frage, ob die Finanzierung des afghanischen Staatshaushalts den Tatbestand der Terrorismusfinanzierung i.S.v. Art. 260quinqies StGB erfüllen könnte und welche Anforderungen dabei an den Vorsatz zu stellen wären. Dabei ist zu beachten, dass für einschlägige Sachverhalte das schweizerische Recht anwendbar sein muss. Weiter werden mögliche Exkulpationsgründe besprochen. Insbesondere wird auf die Frage eingegangen, ob die Taliban Verfügungsmacht über den afghanischen Staatshaushalt haben.

Die Machtübernahmen der Taliban in Afghanistan im Jahr 2021 brachte mit sich, dass diese den afghanischen Staatshaushalt finanzieren müssen. Durch Finanzierung des afghanischen Staatshausalten könnte aufgrund der Einstufung der Taliban als terroristische Organisation der Tatbestand des Art. 260quinqies StGB erfüllt werden. Dies insbesondere im Hinblick darauf, dass die Taliban und die afghanische Regierung zurzeit als Einheit betrachtet werden müssen. Trotzdem herrscht ein globaler Geldfluss in Richtung Afghanistan, welcher leider selten den Weg zu den Bedürftigen findet. Aktuell besteht keine internationale Definition des Terrorismusbegriffs. Für diesen Beitrag stellt der Autor auf die schweizerische Terrorismusdefinition ab. Gemäss dem PMT gelten Personen als terroristische Gefährder, wenn aufgrund konkreter und aktueller Anhaltspunkte davon ausgegangen werden muss, dass sie eine terroristische Aktivität ausüben werden. «Bestrebungen zur Beeinflussung oder Veränderung der staatlichen Ordnung, die durch die Begehung oder Androhung von schweren Straftaten oder mit der Verbreitung von Furch und Schrecken verwirklicht oder begünstigt werden sollen» konkretisieren den Begriff der terroristischen Aktivität. Der Autor nennt an dieser Stelle mehrere Aspekte, welche die Einstufung der Taliban als terroristische Organisation untermauern. Diese Ansicht wird dadurch verstärkt, dass die überwiegende Mehrheit in der internationalen Gemeinschaft eine identische Betrachtungsweise pflegt.

Weiter stellt sich die Frage, was unter dem Begriff der Terrorismusfinanzierung zu verstehen ist. Eine einheitliche internationale Definition lässt sich auch hier nicht erkennen. Deshalb wird hier auf den Wortlaut von Art. 260quinqies StGB abgestellt. Dieser nenn das Sammeln oder Zurverfügungstellen von Vermögenswerten als tatbestandsmässiges Verhalten. Sämtliche Arten von Vermögenswerten gelten dabei als Tatobjekte. Die Ermöglichung einer terroristischen Tat ist jedoch kein Tatbestandsmerkmal. Die Tatbestandsmässigkeit verlangt den direkten Vorsatz. Die Förderung der Begehung von Terroranschlägen muss das Ziel des Terrorismusfinanziers darstellen.

Der Art. 260quinqies StGB kennt verschiedene Exkulpationsgründe. Vorab zu nennen ist die Unterstützung von Freiheitskämpfern (Abs. 3). Ferner gilt die Unterstützung völkerrechtskonformer Konflikte ebenfalls nicht als tatbestandsmässig (Abs. 4).

Aus der Sicht des Autors kommt die Finanzierung eines ausländischen Staatshaushaltes einer Zurverfügungstellung von Vermögenswerten gleich. In casu muss beurteilt werden, ob die Taliban die Verfügungsmacht über den afghanischen Staatshaushalt erlangt haben. Da die Taliban aktuell die Regierungsmacht in Afghanistan innehaben, werden alle Regierungshandlungen, welche früher von der Regierung durchgeführt wurden nun von den Taliban durchgeführt. Anhand von völkerrechtlichen und politischen Überlegungen stellt sich der Autor, im Einklang mit der herrschenden Lehre, auf den Standpunkt, dass die Taliban trotz der Übernahme der staatlichen Gewalt immer noch als terroristische Organisation einzustufen seien. Sofern terroristische Organisationen Verfügungsmacht über Vermögenswerte erhalten, kommt die Erfüllung des Art. 260quinqies StGB in Betracht. Dies ist in casu gegeben. Auch der subjektive Tatbestand sieht der Autor als gegeben, indem die Finanzierung des afghanischen Staatshaushalts mit der Finanzierung der Taliban gleichzusetzen sei.

Die Taliban als Freiheitskämpfer zu betrachten, um damit einen Exkulpationsgrund geltend zu machen, ist ein gewagtes Unterfangen. Falls eine Regierung den militärischen Einsatz in Afghanistan als notwendig betrachtet hat, kann sie an dieser Stelle nicht den Exkulpationsgrund geltend machen. Ebenfalls offensichtlich ausgeschlossen ist einerseits der Rechtfertigungsgrund, dass die Finanzierung die Wiederherstellung demokratischer und rechtsstaatlicher Verhältnisse oder die Ausübung und Wahrung von Menschenrechten fördern soll, anderseits eine Argumentation nach Art. 260quinqies Abs. 4 StGB.

Die Involvierung einer internationalen Organisation, wie beispielsweise der UNO, wäre unter Art. 260quinqies StGB ebenfalls strafbar, da es keine Rolle spielen darf, ob eine Finanzierung direkt oder indirekt erfolgt. Die Herausforderung für den legalen Weg zur Unterstützung vor Ort bestünde darin, dass keine Mittel in die Verfügungsmacht der Taliban geraten dürften. Die erscheint zurzeit als lebensfremd.

Der Autor kommt zum Schluss, dass der Tatbestand von Art. 260quinqies StGB sowohl objektiv als auch subjektiv erfüllt werden kann, wenn eine aus den Taliban bestehende Regierung finanziert wird. Elementar ist, dass die Taliban die Verfügungsmacht über die Vermögenswerte erlangen müssen. Die Verhinderung der Erlangung der Verfügungsmacht scheint im Lichte der Realität jedoch nicht möglich. Finanzdienstleister und Regierungen sollten folglich vorsichtig im Hinblick auf Finanzierungsleistungen sein. Für erstere sind an dieser Stelle insbesondere die Pflichten aus dem GwG zu beachten.