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How compatible is the principle of neutrality with the implementation of economic sanctions? An examination into Switzerland’s use of sanctions

Der Artikel befasst sich mit dem Wandel des Neutralitätsbegriffes der Schweiz im Lichte der jüngsten Sanktionen gegen Russland. Der Artikel wurde von Dr. iur. Dr. rer. pol. Fabian Teichmann in Zusammenarbeit mit Chiara Wittmann verfasst und im Journal of Financial Crime im Juli 2022 veröffentlicht. Der Schweizer Neutralitätsbegriff hat seit der Gründung des Nationalstaates 1848 mehrere Veränderungen erlebt. Die Schweiz ist auf internationaler Ebene für ihre Neutralität bekannt und geschätzt, denn Kriegsparteien anerkennen ihre ausschliesslich neutralen Friedensbestrebungen. Dieses Bild wurde im Lichte der Sanktionen gegen Russland relativiert. Etliche Medienberichte läuteten bereits das Ende der Schweizer Neutralität ein. Dieser voreilige Schluss gilt es jedoch zu überdenken. Der Neutralitätsbegriff hat eine juristische und politische Komponente. Die juristische Komponente stützt sich primär auf die Haager Konvention von 1907, welche die Pflichten eines neutralen Staates im Kriegsfall definiert. Dabei handelt es sich um militärische Zurückhaltung und Verteidigung der territorialen Souveränität. Die Haager Konvention äussert sich jedoch mit keinem Wort zu wirtschaftlichen Sanktionen. Die politische Komponente der Neutralität bezieht sich auf aussermilitärische Gesichtspunkte und ist in ihrer Auslegung flexibler und fallspezifisch, entspringt aber keiner Konvention. Zwar gewährt die Haager Konvention von 1907 der Schweiz auch im Kriegsfall Handelsfreiheit, die Schweiz kann sich jedoch an Sanktionen beteiligen, ohne die rechtliche Neutralität zu verletzen. Die Vereinbarkeit dieser Beteiligung mit der politischen Neutralität muss anhand der Umstände beurteilt werden. Nach dem russischen Einfall in die Ukraine stieg der internationale Druck auf die Schweiz, sich an Sanktionen zu beteiligen, stark an. Eine streng ausgelegte Neutralität hätte somit das Schweizer Verhältnis zur Europäischen Union zu stark kompromittiert. Daher gilt es die politische Komponente der Neutralität in der geopolitischen Gesamtkonstellation zu interpretieren; die Beteiligung an Sanktionen muss an klare Bedingungen geknüpft sein. Die Mitgliedschaft der Schweiz in einer supranationalen Militärorganisation wie die NATO ist jedoch gänzlich ausgeschlossen, da diese im Falle eines Angriffes gegen einen Bündnispartner verpflichtet wäre, diesem militärisch Hilfe zu leisten. Selbst wenn das Bild der Schweiz als neutraler Staat im Zuge der Sanktionen in Mitleidenschaft gezogen wurde, gilt es die Schweiz klar von Schweden oder Finnland abzugrenzen, da diese Staaten einen Eintritt in die NATO beantragt haben.

Zum Autor: Fabian Teichmann ist Rechtsanwalt in der Schweiz, Notar in St. Gallen sowie niedergelassener Europäischer Rechtsanwalt in Liechtenstein. Des Weiteren ist er im Rahmen seines Beratungsunternehmens in Ruggell, Dubai und London tätig.

Mehr zu diesem Thema finden Sie in Teichmann, F. & Wittmann, C (2022). How compatible is the principle of neutrality with the implementation of economic sanctions? An examination into Switzerland’s use of sanctions. Journal of Financial Crime. https://doi.org/10.1108/JFC-07-2022-0171.