Bei der intertemporalen Umsetzung des neuen Sanktionenrechts stellt sich die Frage, wie das neue Höchstmass für Geldstrafen im Lichte der lex mitior zu beurteilen sei. Seit dem 1. Januar gilt für Geldstrafen ein Höchstmass von nur noch 180 statt 360 Tagessätzen (Art. 34 StGB). Dafür können Freiheitsstrafen schon ab drei Tagen (statt bisher ab 6 Monaten) und neu auch bedingt ausgesprochen werden. Übergangsrechtliche Fragen stellen sich bei der Herabsetzung des Höchstmasses für Geldstrafen von 360 auf 180 Tagessätzen, weil diese Herabsetzung ein Paradox verkörpert: Absolut stellt sie eine Milderung im Sinne der lex mitior (Art. 2 Abs. 2 StGB) darf. In der Sache bildet sie aber Teil einer gesamten Schärfung der Rechtsordnung. Denn aufgrund dieses tieferen Höchstmasses für Geldstrafen kann für Delikte, für die Geldstrafen von sechs bis zwölf Monaten geeignet gewesen wären, nur noch eine Freiheitsstrafe gefällt werden.
Art. 2 Abs. 2 StGB besagt, dass das neue Recht Anwendung finden muss, wenn es für die betroffene Person günstiger ist. Dieser Artikel betriff vom Wortlaut her nur die Auswahl zwischen dem Gesetz aus der Tatzeit und den neuen Bestimmungen, die zur Zeit der Fällung des letztinstanzlichen massgeblichen Strafurteils rechtskräftig sind. Mehr Auswahloptionen, insbesondere die Wahl von neuen, aber mittlerweile wieder aufgehobenen Normen, werden damit nicht direkt erwähnt. Somit stellt sich die Frage, ob und inwiefern die lex mitior eine Aufteilung der Rechtsfragen bzw. das Nebeneinander von neuem und altem Recht zulässt.
Bei der ersten Variante führt das neue Höchstmass bei Geldstrafen eine signifikante Besserstellung des Täters herbei, weil das Gericht, nur noch maximal 180 statt 360 Tagessätze anordnen kann. Das Bundesgericht hat sich im Jahr 1942 gegen eine Aufteilung der Rechtsfragen für die Bestimmung des zeitlich anwendbaren Rechts entschieden. Es begründet dies mit der fehlenden demokratischen Legitimation er Kombination der konkurrierenden Rechtsnormen. In Bezug auf die Frage der getrennten Berücksichtigung der Strafart und deren Anzahl Tagessätze hat das Bundesgericht 2020 eine offensichtliche Verletzung von Bundesrecht festgestellt. Ein weiterer Entscheid erfolgte im März 2021, dem eine erhöhte Präjudizwirkung zukommt, da er zur Publikation vorgesehen ist und seine Begründung eingehender ist als in den bisherigen Urteilen. Die Vorinstanz hatte hier, in Übereinstimmung mit den oben genannten ersten Urteilen des Bundesgerichts, die angefochtene Geldstrafe von über 180 Tagessätzen bestätigt und diese aufgrund der lex mitior auf 180 Tagessätze herabgesetzt. Das Bundesegericht kommt nunmehr zu Recht zum Schluss, dass dieses Vorgehen einer Kombination von neuem Recht und altem Recht gleichkommt. Das Bundesgericht statuiert, dass die Strafzumessung zuerst nach Massgabe des alte Rechts vorgenommen werden müsse. Als Nächstes müsse die Sanktion nach Massgabe des neuen Rechts festgelegt werden, um mit der Sanktion nach altem Recht verglichen werden zu können. Für den besonders relevanten Bereich der Geldstrafen zwischen 180 und 360 Tagessätzen geht das Bundesgericht dabei weiterhin vom grundsätzlichen Vorrang der Geldstrafe aus.
Zum Autor: Fabian Teichmann ist Rechtsanwalt in der Schweiz, Notar in St. Gallen sowie niedergelassener Europäischer Rechtsanwalt in Liechtenstein. Des Weiteren ist er als Lehrbeauftragter an verschiedenen Universitäten im In- und Ausland tätig.
Mehr zu diesem Thema finden sie in Teichmann, F. & Camprubi, M. (2021). Höchstmass für Geldstrafen im Lichte der lex mitior. Aktuelle Juristische Praxis/ Pratique Juridique Actuelle (AJP/PJA), 9(30), 1157–1166.