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Grenzen des Rechtsschutzes bei der akzessorischen Rechtshilfe in der Schweiz, Theorie vs. Realität

Der folgende Aufsatz wurde von RA Dr. iur. Dr. rer. pol. Fabian Teichmann, LL.M. und RAin PD Dr. iur. Madeleine Camprubi verfasst und im Jahr 2022 von der Fachzeitschrift «Zeitschrift für Internationale Strafrechtswissenschaft» publiziert. Als Ausgangspunkt fungiert der Umstand, dass in der Schweiz Verfügungen, welche Zwangsmassnahmen der Rechtshilfe anordnen, grundsätzlich erst am Ende des Verfahrens, kurz bevor die Übermittlung der Beweismittel oder Vermögenswerte an das Ausland erfolgen, gerichtlich überprüft werden können. Aufgrund des Vertrauensprinzips werden die Rechtshilfegesuche zunächst ausgeführt. Grundrechtlich sollte dieses Vorgehen theoretisch verheben, da die Überprüfung der beantragten Zwangsmassnahmen im ersuchenden Staat gewährleistet werden sollte. In der Realität kann dieses Konzept nicht ohne Weiteres reüssieren. Die Autoren stellen sich auf den Standpunkt, dass die oben angeschnittene restriktive Rechtsschutzpraxis zu Beginn des Verfahrens nicht zu rechtfertigen sei, da fehlerhaften Rechtshilfegesuchen vorab entsprochen werde und darauf berufende Zwangsmassnahmen langfristig aufrechterhalten werden.

Nach der schweizerischen Lehre und Praxis ist das Verwaltungsrecht einschlägig. Fehlen Vorschriften im IRSG oder in Staatsverträgen, ist das VwVG anwendbar. Bei der Ausführung der Rechtshilfehandlungen müssen sich die kantonalen Behörden nach der StPO richten. Bundesbehörden unterstehen dem VStrR. Die akzessorische Rechtshilfe ist regelmässig mit Einschränkungen von Grund- und Konventionsrechten verbunden. Diese lassen sich nur aufgrund von Art. 36 BV bzw. Art. 8 Abs. 2 EMRK rechtfertigen.

Das in den 1970er Jahren erlassene IRSG hat damals die klaffende Lücke geschlossen, die für Wahrung der Grundrechte und des Legalitätsprinzips sowie für die Ausführung der internationalen Rechtshilfe problematisch war. In den 1980er Jahren richtete die Schweiz vermehrt den Fokus auf die Beteiligung an der internationalen Bekämpfung der organisierten Kriminalität und des Terrorismus. Dadurch musste sich die Schweiz vermehrt mit der Rechtshilfe auseinandersetzen. In den Folgejahren hat die Schweiz verschiedene internationale Übereinkommen ratifiziert. Innerstaatlich hat der Gesetzgeber das GwG erlassen und das IRSG teilrevidiert. Insbesondere die Teilrevision des IRSG hat weitgehende Einschränkungen des Rechtsschutzes mit sich gebracht. Im Rechtshilfeverfahren kann nämlich nur gegen Verfügungen, die das Rechtshilfeverfahren abschliessen, allenfalls zusammen mit vorangehenden Zwischenverfügungen, vorgegangen werden. Als erstinstanzliches Organ auf Bundesebene ist das Bundesstrafgericht vorgesehen. Die Autoren beleuchten an dieser Stelle das Rechtsmittelverfahrenen, indem sie eine Vielzahl an Aspekten berücksichtigen. Im Rahmen der Totalrevision der Bundesrechtspflege, die im Jahr 2007 in Kraft trat, wurde der Rechtsschutz noch erheblicher eingegrenzt. Das schweizerische Rechtshilfeverfahren ist geprägt vom Trennungsprinzip. Infolgedessen werden gewisse Aspekte nur summarisch geprüft und begründet. Die Anfechtbarkeit von Verfügungen in der Anfangs- und Ausführungsphase ist, ausgenommen beim Vorliegen eines drohenden unmittelbaren und nicht wiedergutzumachenden Schadens für die Betroffenen, erst beim Abschluss des Verfahrens zulässig. Dass dieser Abschluss möglicherweise erst nach langer Zeit erfolgt, nimmt der Gesetzgeber bewusst in Kauf. Zwischenverfügungen der Rechthilfebehörden können gerichtlich überprüft werden, bevor Vermögenswerte und Datens in das Ausland transferiert werden. Davon ausgenommen sind Fälle der sogenannten spontanen Übermittlung (Art. 67a IRSG). Die Schwelle für spontane Übermittlungen ist in der Praxis nicht besonders hoch. Problematisch ist insbesondere, dass der Gesetzgeber keine besonderen Schutzvorkehrungen vorgesehen hat, die den Betroffenen im Hinblick auf missbräuchliche ausländische Strafverfahren zugutekommen.

Auch auf materieller Ebene stehen den schweizerischen Rechtshilfebehörden aufgrund des Trennungsprinzips wenige Ausführungshindernisse zu. Überwiegende Staatsinteressen der Schweiz vermögen unter Umständen eine Ausführung zu verhindern. Ansonsten kann eine Ausführung aufgrund schwerwiegender Mängel abgelehnt oder aufgrund der Natur des Delikts abgelehnt werden. Zu beachten ist ebenfalls der Aspekt der doppelseitigen Strafbarkeit. Grundsätzlich muss das Recht des ersuchenden Staates die beantragte schweizerische Zwangsmassnahmen genauso vorsehen.

Hinsichtlich einer Vorprüfung ausländischer Rechtshilfegesuche sieht das IRSG eine beschränkte Kognition für die Behörde vor. In Hinblick auf andere Prüfungstätigkeiten darf die Behörde mit voller Kognition vorgehen. Dadurch wird sie jedoch nicht zu einer umfangen Prüfung, welche eine gezielte Fehlersuche beinhaltet, verpflichtet. Der Grund dafür liegt im Trennungsprinzip. Faktisch kommt der Behörde infolgedessen trotzdem nur eine beschränkte Prüfungskognition zu. Für die Erhebung eines Sachverhaltes der Rechtshilfe gilt grundsätzlich die Untersuchungsmaxime. Da keine Ermittlungshandlungen im Ausland vorgenommen werden dürfen, wird die Untersuchungsmaxime aufgrund des Territorialprinzips eingeschränkt. Die Behörde müssen sich auf das Gesuch und auf die Beilagen stützen.

Die Autoren stellen fest, dass die aktuellen Gegebenheiten im Rechtshilfeverfahren eine Entdeckung von selbst schwerwiegenden Mängeln extrem erschwert. In den übrigen Fällen dürften die oben erwähnten Ausschlussgründe wohl kaum praxisrelevant werden. Kritik bringen die Autoren auch hinsichtlich der zeitlichen Dimension des Rechtshilfeverfahrens vor. Insbesondere wird der Umstand angesprochen, dass sich Betroffene erst im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens wehren können. Betroffene haben dabei keinen Einfluss auf die Dauer bis zum Erlass einer anfechtbaren Schlussverfügung. Bis zu deren Erlass kann aufgrund verschiedener Gegebenheiten viel Zeit vergehen. Er ab ungefähr 15 Jahren nehmen sich die Gerichte das Recht, auf die Schlussverfügungen zu verzichten und behandeln angeordnete Zwangsmassnahmen als Schlussverfügungen.

Abschliessend halten die Autoren folglich fest, dass das Rechtsschutzkonzept, welches aus der IRSG-Teilrevision von 1996 resultiert ist, in der Theorie überzeugt. In der Praxis könne der Rechtsschutz jedoch nicht im intendierten Umfang umgesetzt werden. Bei gleichbleibender Rechtslage ist ein Ausbau der Untersuchungsmaxime in Hinblick auf die Ermittlung gröberer Fehler wünschenswert. Hinsichtlich der Ausschlussgründe sollte weniger auf das Vertrauensprinzip abgestellt werden. Einen erhöhten Rechtsschutz könnte jedoch auch durch Anpassungen der Auslegungspraxis sowie der Gewährleistung einer gerichtliche Überprüfung innerhalb angemessener Frist und den Einbezug spezialisierter Behörden, wie beispielsweise den schweizerischen Nachrichtendienst oder die Bundespolizei, erreicht werden.