In diesem Beitrag aus der Zeitschrift «AJP/PJA» von 2019 kommentieren die beiden Autoren Dr. iur. Dr. rer. pol. LLM., Fabian Teichmann und Dr. iur. Marco Weiss das Urteil des Bundesgerichts vom 5. Juli 2019.
Der Beschuldigte A. wurde des Diebstahls beschuldigt. Mit Verfügung vom 8. November 2018 stellte die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat das Verfahren gegen den A. ein, wobei ihm eine Genugtuung in der Höhe von CHF 200 zugesprochen wurde. Eine Entschädigung erhielt A. nicht. A. gelangte mit Beschwerde an das Obergericht des Kantons Zürich und machte einen Schadenersatz in der Höhe von CHF 3'200 geltend. Die besagte Einstellungsverfügung vom 8. November 2018 wurde dem nicht anwaltlich vertretenen A.am 18. Dezember 2018 an seinen Wohnort in Polen zugestellt. Die 10-tägige Beschwerdefrist nach Art. 396 Abs. 1 StPO begann daher am 19. Dezember 2018 zu laufen und endete am 28. Dezember 2018. Einen expliziten Hinweis nach Art. 91 Abs. 2 StPO, wonach die Frist gewahrt ist, wenn die Beschwerde spätestens am letzten Tag der Frist bei der Strafbehörde abgegeben oder zu deren Handen der Schweizerischen Post, einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung oder, im Falle von inhaftierten Personen, der Anstaltsleitung übergeben wurde, enthielt die Verfügung vom 8. November 2018 nicht. A. übergab seine Beschwerde am 27. Dezember 2018 der polnischen Post, welche die Beschwerde der schweizerischen Post am erst am 2. Januar 2019 zustellte. Die Frist war somit nicht gewahrt. Infolge Verspätung trat das Obergericht des Kantons Zürich mit Verfügung vom 21. Januar 2019 auf die Beschwerde nicht ein. A. beantragte mit Beschwerde in Strafsachen, dass der Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich aufzuheben und auf die Beschwerde einzutreten sei.
Das Vertrauensschutzprinzip und das Fairnessprinzip sind in diesem Entscheid von entscheidender Bedeutung. Aufgrund dieser Prinzipien darf einer Person aufgrund einer mangelnden Eröffnung einer Verfügung kein Rechtsnachteil erwachsen. Daraus resultiert, dass Personen im Ausland darüber in Kenntnis gesetzt werden müssen, dass beispielsweise schriftliche Beschwerdeschriften oder Einsprachen am letzten Tag der Frist bei der Behörde eingereicht oder zu deren Handen der schweizerischen Post übergeben werden müssen. Zu beachten ist, dass dieser Vertrauensschutz nicht greift, wenn die Person anwaltlich vertreten wird.
Im vorliegenden Entscheid wurden die Grundsätze aus dem öffentlichen Verfahrensrecht auf das Strafverfahrensrecht übertragen. Die Autoren haben sich gefragt, ob diese Prinzipien auch für das Zivilverfahrensrecht gelten. Diese Frage ist noch nicht geklärt. Nach Ansicht der Autoren spricht der Gedanken, dass allgemeine Rechtsgrundsätze wie der Vertrauensschutz und das Fairnessprinzip innerhalb des schweizerischen Verfahrensrechts einheitlich angewendet werden sollten für eine solche explizite Rechtsmittelbelehrung. Auch aus der Entwicklung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung lässt sich ableiten, dass solche Verfahrensrechte in Verwaltungs-, Straf- und Zivilverfahren gelten sollten. Eine andere Auffassung ist nach der Ansicht der Autoren abzulehnen.