Internationale Sanktionen stellen nicht nur Unternehmen, sondern auch Rechtsanwälte vor erhebliche Herausforderungen. Der Autor Dr. iur. Dr. rer. pol. LLM. Fabian M. Teichmann untersucht in diesem Beitrag die Verbote der Rechtsberatung und die Umgehung von Sanktionen am Beispiel der EU-Verordnung Nr. 833/2014 über restriktive Massnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage der Ukraine destabilisieren. Der Autor zeigt dabei auf, dass das Verbot der Rechtsberatung zwar unmissverständlich klar ist, das Umgehungsverbot dagegen einen erheblichen Interpretationsspielraum enthält, was zu Unklarheiten und Herausforderungen in der Praxis führen dürfte.
Unmittelbare oder mittelbare Rechtsberatungsdienstleistungen für die Regierung Russlands oder in Russland niedergelassene juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen sind verboten. Vor allem die Zusammenarbeit mit russischen Korrespondenzanwälten dürfte zu Herausforderungen führen, da diese wohl als in Russland niedergelassene juristische Personen gelten. Demzufolge bleibt die Rechtsberatung für natürliche Personen erlaubt.
Fraglich ist, ob ein solches Verbot auch ausserhalb streitiger Verfahren möglich ist. Das Sanktionspaket der EU verstösst jedoch gemäss der Bundesrechtsanwaltskammer gegen rechtsstaatliche Grundsätze und darf aus verfassungsrechtlichen Gründen ausserhalb des Strafrechts keine Anwendung finden. Dies insbesondere im Hinblick auf die verankerten Grundrechte, auf Schutz des Privatlebens sowie den Zugang zu den Gerichten.
Das zweite Verbot, dass im vorliegenden Beitrag erörtert wird, ist das Verbot der Umgehung. Das Verbot der Umgehung besagt, dass es verboten ist, sich wissentlich und vorsätzlich an Tätigkeiten zu beteiligen, mit denen die Umgehung der in dieser Verordnung (Nr. 833/2014) vorgesehenen Verbote bezweckt oder bewirkt wird. Die Formulierung zeigt klar, dass Vorsatz verlangt wird. Allerdings besteht ein Interpretationsspielraum, ob ein Dolus directus 1. Grades oder 2. Grades verlangt wird. Es besteht die Befürchtung, dass dieses Verbot insbesondere bei Rechtsanwälten extensiv ausgelegt werden könnte. Staatsanwaltschaften und Gerichte könnten dazu neigen, den Anwälten zu unterstellen, dass sie von einer beabsichtigten Umgehung wussten und vorsätzlich gehandelt haben.
Die Formulierung in Art. 12 VO (EU) Nr. 833/2014 ist ausserdem sehr breit gewählt und könnte nach Ansicht des Autors, gegen das Bestimmtheitsgebot verstossen. Des Weiteren könnte dieser in der Verordnung verankerte Artikel auch gegen die Bestimmung in Art. 12 Abs. 1 GG verstossen, wonach alle Deutschen das Recht haben, ihren Beruf, ihren Arbeitsplatz und ihre Ausbildungsstätte frei zu wählen.
Der Beitrag präsentiert ausgewählte Anwendungsfälle aus der Praxis, die die erwähnten Herausforderungen demonstrieren. Abschliessend hält der Beitrag fest, dass die aktuelle Rechtslage mit erheblichen Strafbarkeitsrisiken für Rechtsanwälte verbunden ist. Gemäss der im Beitrag vertretenen Auffassung kann es kaum im Sinne des Gesetzgebers sein, dass jede Rechtsberatung, welche geringe Anhaltspunkte zu Russland bietet, mit hohen Strafbarkeitsrisiken einhergeht. Die Tatbestandsmässigkeit sollte eingeschränkt werden insbesondere im Hinblick auf die mangelnde Bestimmtheit des Art. 12 VO (EU) Nr. 833/2014.