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Gekaufte Internationale und Europäische Haftbefehle – Mythos oder Realität?

Der von Dr. iur. Dr. rer. pol. Fabian Teichmann, Rechtsanwalt in der Schweiz, verfasste Artikel behandelt die Frage, ob und unter welchen Umständen es möglich ist, internationale und europäische Haftbefehle durch die Bestechung von Amtsträgern zu erwirken und damit unliebsame Personen aus dem Verkehr ziehen zu lassen. Weitere Informationen zu diesem Thema können Ihnen unsere Anwälte und Anwältinnen für Strafrecht in Zürich, St. Gallen und Frauenfeld geben.

Damit nationale Haftbefehle gekauft werden können, muss die Justiz, die sie ausstellt, korrupt sein. Zu den korrupten Justizsystemen gehören vor allem Staaten aus der ehemaligen Sowjetunion.

Um an solche Haftbefehle zu gelangen, sind verschiedene Vorgehensweisen denkbar. Bei dem Weg über die Polizei ist ein Polizist zu bestechen. Dieser konstruiert einen Sachverhalt, den er anschliessend als Untersuchung dokumentiert. Der Bericht wird samt gefälschter Beweise an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Gestützt auf diesen Sachverhalt wird ein nationaler Haftbefehl erlassen. Es besteht folglich einen Verdacht, der es rechtfertigt, den Betroffenen in Untersuchungshaft zu nehmen. Alternativ kann ein Abwesenheitsverfahren durchgeführt werden. Dabei wird der Betroffene offiziell vorgeladen. Sodann wird dem Betroffenen ein Verteidiger ernannt, der ihn verteidigen soll. Danach wird die Zustellung der Vorladung fingiert. Es wird geltend gemacht, der Beschuldigte sei zwar vorgeladen worden, hätte sich aber der Justiz durch Flucht entzogen. Bei der Verhandlung sei lediglich der ebenfalls bestochene Rechtsanwalt anwesend gewesen.

Auf die gleiche Weise können auch internationale Haftbefehle erwirkt werden: Man kann in einem korrupten Land Strafverfolgungsbehörden bestechen und die Ausstellung eines internationalen Haftbefehls erwirken.

Durch solche Haftbefehle gelingt es in vielen Fällen, die Zielpersonen für einige Wochen, bis zur Klärung des Sachverhalts, inhaftieren zu lassen. Da der dem Haftbefehl zugrundeliegende Sachverhalt in vielen Fällen nicht mehr überprüft wird, ist davon auszugehen, dass man die Zielperson gar ausliefern lassen könnte. Dadurch wäre es also möglich, unschuldige geschäftliche Konkurrenten mithilfe der deutschen oder österreichischen Justiz in osteuropäische Gefängnisse inhaftieren zu lassen.

Zum Autor: Fabian Teichmann ist Rechtsanwalt in der Schweiz, Notar in St. Gallen sowie niedergelassener Europäischer Rechtsanwalt in Liechtenstein. Des Weiteren ist er als Lehrbeauftragter an verschiedenen Universitäten im In- und Ausland tätig.

Mehr zu diesem Thema finden Sie in Teichmann, F. (2021). Gekaufte Internationale und Europäische Haftbefehle – Mythos oder Realität? Journal für Strafrecht, 66(8), 588-591.