Das schweizerische Bundesamt für Polizei (Fedpol) ist befugt, Einreiseverbote für ausländische Staatsangehörige zu verhängen. Mittels dem Schengen-Informationssystem ist es den Behörden und der Polizei möglich, wichtige Informationen über Personen, gegen die ein Einreiseverbot verhängt wurde, über gesuchte Personen, bezüglich terroristischen Bedrohungen oder organisierte Verbrechen auszutauschen. Da die Korruption in einigen osteuropäischen Ländern bekannterweise weit verbreitet ist, besteht das Risiko, dass internationale Strafverfahren durch politische Einflüsse manipuliert werden. Da viele Einreiseverbote auf ausländischen Strafverfahren basieren, welche politisch motiviert sein könnten, ist es wichtig, die derzeitige Praxis von Fedpol zu hinterfragen.
Die beiden Autoren Dr. iur. Dr. rer. pol. LLM. Fabian Teichmann und Sonia Ruxandra Boticiu erklären in diesem Beitrag, warum nationale Behörden den Ergebnissen von ausländischen Strafverfolgungsbehörden nicht blindlings vertrauen sollten und warum die Ermittlungsresultate von ausländischen Strafverfolgungsbehörden kritisch hinterfragt werden müssen. Einreiseverbote sind zwar ein wichtiges Tool, um die Sicherheit von Staaten zu gewähren und die Korruption zu bekämpfen, jedoch besteht auch ein Missbrauchspotenzial.
Das schweizerische Bundesgesetz über die Sperrung und Rückgabe rechtswidriger Vermögenswerte ermöglicht die Sperrung von Vermögenswerten politisch exponierter Personen unter vier Voraussetzungen. Die ausländische Regierung muss einen Verlust erlitten haben, das Heimatland muss für Korruption bekannt sein, die Vermögenswerte müssen wahrscheinlich auf kriminelle Weise erworben worden sein und das Einfrieren der Vermögenswerte muss notwendig sein, um die Interessen der Schweiz zu schützen.
Das Fedpol erlässt Einreiseverbote auf der Grundlage von Informationen über ausländische Strafverfahren. Viele der Strafverfahren haben legitime Ziele und Ursprünge. Jedoch ist fraglich, wie sorgfältig das Fedpol diese internationalen Sachverhalte prüft. In der Regel versucht das Fedpol im Hinblick auf ein faires Verfahren, mit den betroffenen Personen Kontakt aufzunehmen, bevor es eine Verfügung erlässt. Die Betroffenen haben zudem 30 Tage Zeit, sich zu äussern. Zudem werden sie aufgefordert, Auszüge aus dem Strafregister, die nicht älter als drei Monate sind und eine Liste mit allen gegen sie hängigen Strafverfahren vorzulegen. Oftmals werden die internationalen Verfahren nicht unter dem Gesichtspunkt der Strafverfahren bewertet, jedoch berücksichtigt das Fedpol sie bei seinen Entscheidungen. Es gab auch Fälle, wo Entscheidungen, basierend auf ausländischen Presseberichten gefällt wurden, was mit rechtsstaatlichen Prinzipien unvereinbar ist. Ausserdem werden die Akten regelmässig nicht vollständig übersetzt.
In Bezug auf diesen Ansatz des Fedpol fragen sich die Autoren, inwiefern eine solche Liste mit allen hängigen Strafverfahren für die Schweizer Behörden von Bedeutung sein kann, da in laufenden Strafverfahren, die Unschuldsvermutung gilt. Eine sorgfältige Prüfung jedes einzelnen ausländischen Strafverfahrens ist notwendig. Ausserdem ist zu prüfen, ob die herangezogenen Ermittlungsergebnisse den allgemein anerkannten Grundsätzen des Strafprozessrechts entsprechen. Ist dies nicht der Fall, sollten die fraglichen Ergebnisse in der Entscheidfindung nicht berücksichtigt werden.
Der Beitrag listet zudem die prozessualen Aspekte solcher Verfahren auf. Es ist zu beachten, dass gegen solche Verfahren, Rechtmittel grundsätzlich ausgeschlossen sind. Zudem haben die Adressaten einer Fedpol-Verfügung Anspruch auf rechtliches Gehör. Auch die Auferlegung von zusätzlichen Verpflichtungen, um das Recht auf Anhörung geltend machen zu können, entbehrt einer Rechtsgrundlage und ist nicht verhältnismässig. Weiter kann kritisiert werden, dass das Fedpol gegen die im Verwaltungsverfahren geltende Untersuchungsmaxime des Verfahrens verstösst. Es klärt den Sachverhalt nicht ab, sondern konstruiert diesen auf der Grundlage von ausländischen Daten.
Dem Fedpol gelingt es zudem nicht immer, klar darzulegen, inwiefern das Einreiseverbot durch eine konkrete und hinreichend schwere Gefährdung der inneren Sicherheit der Schweiz gerechtfertigt ist. Die rein theoretische Möglichkeit, dass auf schweizerischem Gebiet Straftaten begangen wurden, reicht nicht aus. Auch Gerüchte oder Vermutungen genügen nicht den Anforderungen. Es müssen konkrete Verdachtsmomente vorliegen, dass konkrete Straftaten in der Schweiz geplant oder in Vorbereitung sind. Die regelmässige Aussage des Fedpol, dass Einreiseverbote auch dazu beitragen sollen, die Betroffenen an der Flucht vor ausländischen Strafverfolgungsbehörden zu hindern, ist mit rechtsstaatlichen Prinzipien kaum vereinbar. Zudem ist in solchen Verfahren auch die strafprozessuale Unschuldsvermutung zu beachten.
Ein weiteres Problem im Zusammenhang mit ausländischen Strafverfahren sind die sogenannten Abwesenheitsurteile. Eine beschuldigte Person kann ihre Rechte aus Art. 6 abs. 2 EMRK nur wahrnehmen, wenn sie persönlich anwesend ist. Ein Abwesenheitsurteil kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht.
Es ist von grundlegender Bedeutung, dass vor dem Erlass eines Einreiseverbots geprüft wird, ob das dem Verbot zugrunde liegende Strafverfahren im Ausland, auf einem tatsächlichen Verdacht beruht. Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, ist es mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar, ein Einreiseverbot basierend auf einem ausländischen Strafverfahren zu erlassen. Eine solche Überprüfung ist unumgänglich, da Strafverfolgungsbehörden im Ausland korrupt sein können.
Abschliessend hält der Beitrag fest, dass das Fedpol als Beispiel gedient hat, um aufzuzeigen, mit welchen Herausforderungen es bei der Bearbeitung ausländischer Strafverfahren konfrontiert ist und welche strafprozessualen Grundsätze im Verwaltungsrecht berücksichtigt werden müssen. Der Artikel beschränkt sich jedoch nicht nur auf das Fedpol oder die Schweiz, sondern ist für alle westlichen Länder relevant. Die Autoren empfehlen den schweizerischen sowie den ausländischen Behörden, die dem Strafverfahren zugrundeliegenden Sachverhalte auf der Grundlage ihrer strafprozessualen Normen zu prüfen. Besteht nach dieser Prüfung ein durch Tatsachen gestützter Verdacht, können die weiteren Voraussetzungen für ein Einreiseverbot geprüft werden. Andernfalls kann das Verfahren eingestellt werden.