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Die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung in der Schweiz im Lichte der aktuellen Entwicklungen in Afghanistan

Seit September 2021 regieren die Taliban Afghanistan. Ein wesentlicher Bestandteil des Regierens eines Landes ist die Finanzierung des Staatshaushaltes. Um also an der Macht bleiben zu können, sind die Taliban auf finanzielle Mittel angewiesen. Die Terrorismusfinanzierung stellt das schweizerische Strafrecht in Art. 260quinquies Abs. 1 StGB unter Strafe. Eine Finanzierung von Terrorismus liegt vor, wenn jemand in der Absicht, ein Gewaltverbrechen zu finanzieren, mit dem die Bevölkerung eingeschüchtert oder ein Staat oder eine internationale Organisation zu einem Tun oder Unterlassen genötigt werden soll, Vermögenswerte sammelt oder zur Verfügung stellt.

Vorausgesetzt wird demnach das Sammeln oder Zurverfügungstellung von Vermögenswerten. Sammeln ist die Bereitschaft, Vermögenswerte in unbestimmter Höhe entgegenzunehmen. Zurverfügungstellung liegt vor, wenn einem Dritten die Verfügungsmacht über Vermögenswerte gewährt werden. Neben offiziellen Zahlungsmitteln kommen auch andere Vermögenswerte wie beispielsweise Kryptowährungen oder Gold in Betracht. Subjektiv verlangt wird, dass der Finanzierer absichtlich (direkter Vorsatz) gehandelt hat. Die Förderung der Begehung von Terroranschlägen muss folglich das Ziel des Finanzierers sein. Eventualvorsatz, der vorliegt, wenn der Täter die Terrorismusfinanzierung für möglich hält und in Kauf nimmt, reicht nicht aus.

Aus dem Erfordernis der Absicht im subjektiven Tatbestand ergeben sich einige dogmatische Herausforderungen: Dadurch, dass für die Erfüllung des Tatbestandes absichtlich gehandelt werden muss, sollen gutgläubige Spender geschützt werden. Dass das afghanische Volk unter der Taliban leidet, ist klar. Genau so klar ist es, dass gewisse Menschen das Bedürfnis haben, den notleidenden Menschen in Afghanistan mittels Spenden helfen zu wollen. Allerdings besteht bei solchen Spenden ein erhebliches Risiko, dass diese den Taliban in die Hände fallen und folglich für Gewaltverbrechen im Sinne von Art. 260quinquies StGB verwendet werden können. Des Weiteren ist die Abgrenzung vom direkten Vorsatz zum Eventualvorsatz problematisch. Einem intelligenten Täter wird es mit grosser Wahrscheinlichkeit stets gelingen, bestreiten zu können, dass er absichtlich gehandelt hat. Eine mögliche Lösung dafür wäre die Streichung der Anforderung an die Absicht.

Geschrieben wurde der vorliegende Artikel von Dr. iur. Dr. rer. Pol. Fabian Teichmann, LL.M, Rechtsanwalt in der Schweiz und öffentlicher Notar in St. Gallen. Bei Anliegen oder Fragen zu diesem Thema können Sie sich gerne an unsere Anwälte und Anwältinnen in St. Gallen, Zürich oder Frauenfeld wenden.

Mehr zu diesem Thema finden Sie in Teichmann, F. (2022). Die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung in der Schweiz im Lichte der aktuellen Entwicklungen in Afghanistan. Neue Zeitschrift für Wirtschafts-, Steuer- und Unternehmensstrafrecht (NZWiSt), 2/2022, 59-63.