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Das nemo-tenetur-Prinzip in internen Untersuchungen in Liechtenstein und der Schweiz

Die Autoren Dr. iur. Dr. rer. pol. LLM. Fabian Teichmann und Flavio Galliker beschäftigen sich in diesem Beitrag mit der Frage, ob, die Ergebnisse einer internen Untersuchung in einem Unternehmen ,bezüglich strafrechtlich relevantem Verhalten, in einem staatlichen Strafverfahren, unter dem Schutz von nemo-tenetur stehen. Gleichzeitig gehen sie der Frage nach, ob durch interne Untersuchungen gewonnene selbstbelastende Aussagen von Mitarbeitenden in einem schweizerischen oder liechtensteinischen Strafverfahren verwendet werden dürfen.

Zunächst geht der Beitrag auf die Definition des nemo-tenetur-Prinzips ein. Es handelt sich um einen elementaren rechtsstaatlichen Grundsatz. Das nemo-tenetur-Prinzip schützt die beschuldigte Person in einem Strafverfahren vor dem staatlichen Zwang, sich selbst belasten zu müssen. Sie verfügt somit über ein Aussage- und ein Mitwirkungsverweigerungsrecht. Die beschuldigte Person ist nicht verpflichtet, durch aktives Verhalten bei der Untersuchung mitzuwirken und diese zu fördern. Einer Strafbehörde ist es verboten, physischen Zwang oder disziplinarische Massnahmen gegenüber der beschuldigten Person anzuwenden oder anzudrohen, sollte diese die Aussage bzw. Mitwirkung verweigern. Der wesentliche Sinn und Zweck des nemo-tenetur-Prinzips ist das Verbieten von Folter oder jeglicher Art von missbräuchlicher Zwangsausübung, zwecks Erlangung von Schuldeingeständnissen.

In der Schweiz ist das nemo-tenetur-Prinzip in Art. 113 Abs. 1 CH-StPO normiert und geniesst in der Rechtsprechung und Lehre verfassungsrechtlichen Rang. Art. 140 Abs. 1 CH-StPO hält die verbotenen Beweiserhebungsmethoden wie beispielsweise Gewaltanwendung fest. Auch in Liechtenstein ist das nemo-tenetur-Prinzip in der Verfassung nicht ausdrücklich normiert. Nach der Rechtsprechung des liechtensteinischen Staatsgerichtshofs stellt es jedoch einen unbestrittenen Rechtsgrundsatz dar. Zudem findet sich eine Normierung in § 108 Abs. 1 Ziff. 2 FL-StPO. Sowohl in der Schweiz als auch in Liechtenstein kann der Schutz von nemo-tenetur auf eigentliche Verwaltungsverfahren erstreckt werden, wenn diese ein strafrechtliches oder strafähnliches Verfahren darstellen. Zudem kann das nemo-tenetur-Prinzip nicht nur für natürliche, sondern auch für juristische Personen gelten. In der Schweiz gibt es für juristische Personen jedoch Einschränkungen. Da Liechtenstein und die Schweiz Vertragsparteien der EMRK sind kann sich eine beschuldigte Person in einem Strafverfahren vor Gericht direkt auf die Bestimmungen der EMRK berufen. Die Rechtsprechung des EGMR hat in beiden Rechtsordnungen eine tragende Bedeutung.

Unternehmen führen. interne Untersuchungen durch, um mögliche interne Ordnungswidrigkeiten oder Pflichtverletzungen, insbesondere auch Straftaten, aufzuklären. Diese werden im Vorfeld staatlicher Ermittlungen vorgenommen. Im Rahmen dieser Untersuchungen wird eine grosse Menge an sensiblen Daten und Dokumenten analysiert. Bei dieser Auswertung und auch bei allfälligen Befragungen von Mitarbeitenden hat das Unternehmen eine Vielzahl von strafrechtlichen Grenzen zu beachten, da sich Spannungsfelder mit dem nemo-tenetur-Prinzip ergeben können. Bei Mitarbeiterbefragungen in der Schweiz ergibt sich aus der privatrechtlich geregelten Treuepflicht eine Aussagepflicht. Ob die Mitarbeitenden auch verpflichtet sind, selbstbelastende Aussagen zu machen, ist in der schweizerischen Rechtsdoktrin noch nicht abschliessend geklärt. Zur Thematik, ob solche selbstbelastenden Aussagen verwertet werden können, haben sich bisher weder das schweizerische Bundesgericht noch der liechtensteinische Staatsgerichtshof oder EGMR geäussert. Gemäss den Autoren überzeugt die Ansicht aus der schweizerischen Lehre, dass ihm Rahmen von internen Untersuchungen die Arbeitnehmer gegenüber den Arbeitgebern zwar eine Aussagepflicht haben, jedoch ein Beweisverwertungsverbot greifen muss, damit das nemo-tenetur-Prinzip nicht umgangen werden kann. Das liechtensteinische Strafrecht dagegen, ist nach dem österreichischen Strafprozessrecht konzipiert. In Österreich geht die Lehre von einem umfassenden Recht auf Aussageverweigerung aus. Deshalb sollte hier das nemo-tenetur-Prinzip bereits zum Zeitpunkt der internen Untersuchung gelten. Abschliessend hält der Beitrag fest, dass Arbeitnehmende im schweizerischen Recht zwar zur Aussage verpflichtet sind, dass im Endeffekt jedoch in beiden Rechtauffassungen die Ansicht vertreten wird, dass selbstbelastende Aussagen von Mitarbeiterbefragungen nicht in einem anschliessenden Strafverfahren als Beweis zugelassen werden dürfen, da ansonsten das nemo-tenetur-Prinzip verletzt würde.