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Das Nemo-tenetur-Prinzip im Kontext des schweizerischen Strassenverkehrs

Unsere Rechtsanwälte in Zürich, St. Gallen und Frauenfeld sind täglich juristischen Themen wie diesen konfrontiert. Der vorliegende Beitrag wurde in der Zeitschrift Strassenverkehr veröffentlicht und von Dr. Dr. Fabian Teichmann, Rechtsanwalt in St. Gallen, sowie von Flavio Galliker, ehemaliger juristischer Mitarbeiter bei Teichmann International (Schweiz) AG, verfasst. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit dem Nemo-tenetur-Prinzip im Kontext des schweizerischen Strassenverkehrs.

Gemäss dem Nemo-tenetur-Prinzip ist niemand gehalten, sich selbst anzuklagen oder zu belasten. Das Nemo-tenetur-Prinzip wird als fundamentales Prinzip eines fairen Strafverfahrens angesehen. Falls in einem Strafverfahren Beweise für die Täterschaft einer beschuldigten Person fehlen, gewinnt öfters die beschuldigte Person selbst an Bedeutung für die Strafbehörden. Somit läuft die beschuldigte Person Gefahr, dass der Staat mit übermässigen Machtmitteln auf sie einwirkt, um den Sachverhalt abklären zu können. Das Nemo-tenetur-Prinzip stellt ein wirksames Gegengewicht dar, welches die Zwangsgewalt des Staates einschränkt.

Jedoch enthält das schweizerische Strassenverkehrsrecht einige Vorschriften, welche die Verkehrsteilnehmer unter Strafandrohung zur Mitwirkung verpflichten. Obwohl ihnen das Nemo-tenetur-Prinzip eigentlich das Recht gewährt, zu entscheiden, ob sie an einem Strafverfahren gegen sich selbst mitwirken oder jegliche Mitwirkung unterlassen möchten. Oftmals kommt es vor, dass Verkehrsteilnehmer bei der Erfüllung der Mitwirkungspflichten hinsichtlich strafbarer Delikte sich selbst belasten.

Nach Art. 92 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 51 SVG sind Unfallbeteiligte unter Strafandrohung dazu verpflichtet, nach einem Unfall die Polizei zu benachrichtigen und an der Feststellung des Tatbestandes mitzuwirken. Das daraus entstehende Spannungsverhältnis ist offensichtlich. Der Unfallbeteiligte wird sich wahrscheinlich in Sachen Körperverletzung, Sachbeschädigung oder eines strassenverkehrsrechtlichen Deliktes schuldig gemacht haben, weshalb die Erfüllung der oben erwähnten Pflichten öfters mit einer Selbstbelastung einhergeht.

BGE 131 IV 36 ff. gilt als Leitentscheid des Bundesgerichts zur Problematik der Vereinbarkeit von strassenverkehrsrechtlichen Pflichten und dem Nemo-tenetur-Prinzip. In diesem Fall wurde eine Streifkollision mit einem entgegen kommenden Fahrzeug kurz vor Mitternacht verursacht, wobei der Fahrzeuglenker seine Fahrt, ohne anzuhalten, fortsetzte. Aufgrund dessen hat der Unfallgegner die Polizei benachrichtigt. Das Obergericht des Kantons Luzern verurteilte ihn wegen pflichtwidrigen Verhaltens nach einem Unfall mit Fremdschaden nach Art. 92 i.V.m. Art. 51 Abs. 1 und Abs. 3 SVG. Unsere Rechtsanwälte in Frauenfeld, St. Gallen und Zürich können Sie gerne in diesem Thema weiter behilflich sein.

Zum Autor: Fabian Teichmann ist Rechtsanwalt in der Schweiz sowie Notar in St. Gallen. Des Weiteren ist er als niedergelassener Europäischer Rechtsanwalt in Liechtenstein tätig.

Mehr zu diesem Thema finden Sie in Teichmann, F., & Galliker, F. (2021). Das nemo-tenetur-Prinzip im Kontext des schweizerischen Strassenverkehrs. Strassenverkehr, 1, 26–36.