Folgender Aufsatz wurde von Dr. iur. Dr. rer. pol. Fabian Teichmann, LL.M. verfasst und im Jahr 2022 von der Fachzeitschrift «Die Polizei» publiziert. Der Autor setzt sich dabei kritisch mit der Frage auseinander, ob sich das aufgrund des Wirecard-Skandals erlassene Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) für die Verhinderung von Bilanzbetrug eignet und ob dieses einen Bilanzbetrug im ähnlichen Ausmass verhindern könnten. Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass Bilanzbetrug einer künstliche Erhöhung der Aktiven oder eine künstliche Verminderung der Passiven bedarf. Die Bilanzierung von tatsächlich nicht vorhandenen Aktiven (künstliche Erhöhung der Aktiven) bildet dabei die einfachere Variante.
Der Wirecard-Skandal hat das Vertrauen in den deutschen Finanzmarkt massiv erschüttert. Der deutsche Gesetzgeber hat daraufhin mit dem Erlass des FISG reagiert, welcher Bilanzbetrug erschweren bzw. verhindern soll. Im Folgenden setzt sich der Autor mit dem Gesetzeserlass und anderen ergänzenden Gesetzesbestimmungen auseinander. Dabei greift der Autor zuerst die getätigten Ergänzungen im HGB auf, welche für die Abschlussprüfung in Kapitalgesellschaften des öffentlichen Interesses Anforderungen aufstellen. Darunter fallen kapitalmarktorientierte Unternehmen, Versicherungsgesellschaften sowie, unter Vorbehalt einiger Ausnahmen, CRR-Kreditinstitute. § 323 Abs. 2 HGB statuiert dabei eine Ersatzpflicht, wobei ebenfalls Haftungsbeschränkungen aufgestellt werden. An dieser Stelle fragt sich der Autor, weshalb ein vorsätzlich handelnder Wirtschaftsprüfer nicht zur vollen Schadenersatzleistung verpflichtet werden sollte. Betrachtet man diese Frage im Lichte des Wirecard-Skandals, muss man in Betracht ziehen, dass ein bestechlicher Abschlussprüfer auf den Betrug aufspringen würde, sobald die Bestechungssumme 12 Millionen Euro pro Prüfung übersteigt. In der Regel dürfte nämlich nur grobe Fahrlässigkeit, jedoch nicht Vorsatz zu beweisen sein. Somit entfalten die Haftungsbeschränkungen keine präventive Wirkung. Die angepassten Bestimmungen von §331 HGB erachtet der Autor als sinnvoll. Auch zu den neuen Bestimmungen von §§ 331a und 332 HGB äussert sich der Autor nicht negativ. Mit dem neu eingefügten § 119a WpHG i.V.m. Bestimmungen des HBG konnte der Gesetzgeber Strafbarkeitslücken schliessen. Weiter hat der Gesetzgeber die §§ 17 und 18 PublG angepasst. Abschliessend erwähnt der Autor die Anpassung des § 150 GenG.
Die Ausgangfrage bezog sich jedoch auf die Eignung des FISG für die Verhinderung von Bilanzbetrug. Für den, der auf Seiten des Unternehmens Bilanzbetrug begeht, ist Vorsatz anzunehmen. Problembehafteter ist die Frage, ob Wirtschaftsprüfer leichtfertig, fahrlässig, grob fahrlässig oder sogar vorsätzlich gehandelt haben. Das FISG eignet sich für die massgebliche Beeinflussung des Verhaltens von Wirtschaftsprüfern und dürfte in Folge einer positiven Beeinflussung den Bilanzbetrug erschweren. Sofern jedoch keine Beeinflussung der Wirtschaftsprüfer erreicht werden kann, ist es wohl nicht für die Einflussnahme auf zukünftige Fälle von Bilanzbetrug geeignet. Da nur der Wirtschaftsprüfer potenziell beeinflusst werden kann, muss festgehalten werden, dass das FISG keine direkten Auswirkungen auf potenzielle Täter aus dem geprüften Unternehmen hat. In diesem Zusammenhang wird die Sicherung der Unabhängigkeit von Wirtschaftsprüfern diskutiert. Kritisch betrachtet wird, dass die Prüfungsgesellschaften ihren Mandaten neben der Prüfungsdienstleistung zusätzlich Beratungsdienstleitungen o.ä. anbieten. Solche Konstellationen können einen Synergie-Effekt und sogar einen Interessenskonflikt an den Tag legen. Einen faden Beigeschmack hinterlässt auch der Umstand, dass Prüfungsgesellschaften die Honorare mit ihren Mandanten aushandeln. Darin besteht das Potential, dass höhere Honorare zu niedrigeren Prüfungsstandards führen könnten. Diese Aspekte werden vom FISG nicht aufgegriffen. Dieses beschränkt sich auf die Unterscheidung zwischen vorsätzlichem und (grob) fahrlässigem Verhalten. Dadurch lässt man Nachweis- und Streitpotenzial in Bezug auf den objektiven Verschuldensmassstab zu. Einen Vorsatz nachzuweisen, gestaltet sich regelmässig nahezu als unmöglich. Solange der erwartete Nutzen im Falle eines als (grob) fahrlässig angesehenen Verstosses grösser ist als der Output aus regelkonformen Prüfungen, dürfte es in Zukunft zu weiteren Bilanzskandalen kommen. Wie oben bereits angeschnitten, können tolerante Prüfungen im Sinne des Mandants lukrativ für die Prüfungsgesellschaft sein. Insbesondere für den Fall, dass die Haftungsbeschränkungen mit dem Aspekt der bilateralen Honorarverhandlungen gepaart werden, dürfte das Missbrauchsrisiko dann real sein, wenn das Honorar die Bussgeldsumme zu einem gewissen Betrag überschreitet. Dieses Argument wird dadurch unterstützt, dass Unternehmen, die in Vielstelligen Ausmass Bilanzbetrug begehen wollen, wohl nicht vor der Zahlung hoher Bestechungssummen zurückweichen.
Der Autor kommt somit zum Schluss, dass das FISG sich nicht für die Verhinderung zukünftiger Fälle von Bilanzbetrug eignet. Schärfere Sanktionen für vorsätzliche Handlungen sowie die Aufhebung von Haftungsbeschränkungen wären zu empfehlen. Letztere sind nur zur Verhinderung einer Entstehung eines Monopols für eines der Big-Four-Unternehmens geeignet. Deshalb wird dafür plädiert, dass man in erster Linie die persönliche zivil- und strafrechtliche Verantwortung der einzelnen Wirtschaftsprüfer in den Vordergrund stellt.