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Cultural aspects of the EU-Whistleblowing Directive

Der Artikel behandelt die kulturellen Aspekte in Hinblick auf die Hinweisgeberrichtlinie der Europäischen Union. Der Artikel wurde von Dr. iur. Dr. rer. pol. Fabian Teichmann in Zusammenarbeit mit Chiara Wittmann verfasst und im Journal of Financial Crime im April 2022 veröffentlicht. Die Europäische Union hat es sich zum Ziel gemacht, der Macht der Giganten im Technologiebereich (Google, Facebook, etc.) Einhalt zu gebieten. Dies unter anderem mit der Verabschiedung der Hinweisgeberrichtlinie 2019/1937 vom 23. Oktober 2019. Die Europäische Union versucht, den Schutz für Hinweisgeber zu konkretisieren, um diese effektiv zu schützen, wenn sie Missstände oder Fehlverhalten innerhalb eines Unternehmens feststellen und melden. Die Gegner der genannten EU-Richtlinie vertreten die Meinung, diese sei innovationshemmend und würde daher den technologischen Fortschritt verlangsamen. Diese Einschätzung ist jedoch ein Trugschluss, denn das Verhältnis zwischen Innovation und Geschäftsgeheimnissen ist komplexer. So haben mehrere Studien ergeben, dass ein arbeitgeberfreundliches Geschäftsgeheimnisregime eher die Innovation bremst, da keine Anreize bestehen, neue Erfindungen voranzutreiben. Die Entwicklung des Hinweisgeberschutzes ist auch durch kulturelle Unterschiede bedingt, welche sich anhand des Beispiels von Deutschland und den Vereinigten Staaten illustrieren lässt. In Deutschland ist das Arbeitsverhältnis kulturell gesehen mehr als eine wirtschaftliche Beziehung. Es ist ein personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis, welches Arbeitsgeber sowie Arbeitnehmer verpflichtet, sich in Loyalität zu üben und den Grundsatz von Treu und Glauben zu wahren. In den Vereinigten Staaten hingegen besteht in Bezug auf das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine erhöhte Flexibilität, da ein Arbeitsvertrag sehr rasch gekündigt werden kann, ohne sich dabei auf triftige Gründe berufen zu müssen. Es dürfte daher nicht überraschen, dass im Lichte der kulturellen Begebenheiten Deutschlands der Schutz von Geschäftsgeheimnissen, Geschäftsbeziehungen und die Reputation eines Unternehmens einen höheren Stellenwert geniessen. Folglich wird den Hinweisgebern eine gewisse Skepsis entgegengebracht, da diese oft als Verräter und Abtrünnige gebrandmarkt werden. In den Vereinigten Staaten werden Hinweisgeber eher als selbstaufopfernd wahrgenommen, deren Tat mit der Ausübung von persönlichen Rechten sowie einer gewissen Polizeifunktion assoziiert wird. Daraus folgt, dass die europäischen Gesetzgeber gegenüber finanziellen Anreizen zu Gunsten von Hinweisgebern tendenziell abgeneigt sind, was in den Vereinigten Staaten nicht der Fall ist.

Zum Autor: Fabian Teichmann ist als Rechtsanwalt in der Schweiz tätig. Zusätzlich ist er öffentlicher Notar in St. Gallen und Lehrbeauftragter an verschiedenen Universitäten im In- und Ausland.

Mehr zu diesem Thema finden Sie in Teichmann, F. & Wittmann, C (2022). Cultural aspects of the EU-Whistleblowing Directive. Journal of Financial Crime. https://doi.org/10.1108/JFC-04-2022-0091.