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Baustelle Suizidhilfe: Herausforderungen für den Gesetzgeber und die Justiz

Unsere Rechtsanwälte in Zürich, St. Gallen und Frauenfeld sind öfters Themen wie diesen konfrontiert. Der vorliegende Beitrag befasst sich mit dem Thema Suizidhilfe und die Herausforderungen für den Gesetzgeber und die Justiz. Veröffentlicht wurde er in der Zeitschrift Pflegerecht. Der Beitrag wurde von Dr. Dr. Fabian Teichmann, Rechtsanwalt in der Schweiz, sowie von Dr. Madeleine Camprubi, Rechtsanwältin bei Teichmann International (Schweiz) AG, verfasst.

Der Sterbewunsch ist nicht nur eine Herausforderung für die Familie, sondern auch für die gesamte Gesellschaft. Im Allgemeinen möchte jedoch jede*r an ihrem oder seinem Leben festhalten. Zugleich sind die Medizinal- und Pflegeberufe traditionell darauf ausgerichtet, Leute zu retten und am Leben zu behalten. Einem Menschen dabei zu helfen, seinem Leben ein Ende zu setzen, sprengt das traditionelle Selbstverständnis der Medizinalberufe. Auch das Selbstverständnis von familiären und freundschaftlichen Pflichten geht damit unter. Es wird nunmehr unterstützt, dass sich diese Person von seinem Leben ablöst, anstatt ihn dazu zu bewegen, sich daran festzuhalten.

Aufgrund medizinischer Fortschritte werden die Möglichkeiten zur Lebensrettung und -haltung immer grösser. Parallel hat das Selbstbestimmungsrecht im Zuge der Weiterentwicklung der Individualrechte und der Menschenrechte zunehmend an Bedeutung gewonnen. Heute ist rechtlich anerkannt, dass die staatlichen Schutzpflichten bezugnehmend auf das Leben der Rechtssubjekte keine Pflicht begründet, am Leben zu bleiben. Seit 1942 lässt das Strafgesetzbuch (§ 115 StGB) zu, Suizid zu begehen, auch wenn dem Sterbewilligen der Suizid misslingt, so bleibt er dennoch straflos. Es besteht nicht nur das Recht, sich das Leben zu nehmen. Des Weiteren besteht seit BGE 133 I 58 aus dem Jahr 2006 ein verfassungsmässiges Individualrecht und Menschenrecht. Das Selbstbestimmungsrecht dient als roter Faden und löst die Widersprüche zwischen den konträren Ansprüchen Recht auf Leben und Recht auf Sterben.

Natrium-Pentobarbital (NaP) ist ein Mittel, was ein friedliches Einschlafen vor dem Eintritt des Todes bewirkt und in der Schweiz für den hergeleiteten Suizid eingesetzt wird. Dieses Mittel untersteht dem Heilmittelgesetz (HMG) sowie dem Betäubungsmittelgesetzt (BetmG), welches in diesem Fall gegenüber dem ersten Gesetz als lex specialis fungiert. Das NaP darf gemäss Art. 10 Abs. 1 BetmG nur durch in eigener Fachverantwortung tätige Ärztinnen und Ärzte verschrieben werden, die sich dabei nach Art. 11 Abs. 1 BetmG an die anerkannten Regeln der medizinischen Wissenschaften zu halten haben.

Nach Art. 115 StGB wird die Hilfe zum Selbstmord im Prinzip nicht bestraft, es sei denn, die Person handle dabei aus selbstsüchtigen Gründen. Diese Straftat wird als Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord bezeichnet und wird mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft. Selbstsüchtig ist, wer aufgrund eigener Vorteile materieller, ideeller oder affektiver Art verfolgt. Bei weiteren Fragen und Anliegen stehen Ihnen unsere Rechtsanwälte in St. Gallen, Zürich und Frauenfeld gerne zur Verfügung.

Zum Autor: Fabian Teichmann ist Rechtsanwalt und Notar in St. Gallen. Zudem ist er als niedergelassener Europäischer Rechtsanwalt in Liechtenstein tätig.

Mehr zu diesem Thema finden Sie in Teichmann, F. & Camprubi, M. (2020). Baustelle Suizidhilfe: Herausforderungen für den Gesetzgeber und die Justiz. Pflegerecht, 1, 22–31.