Der Artikel wurden von Dr. iur. Dr. rer. pol. Fabian Teichmann verfasst und 2022 in der Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Haftung im Unternehmen publiziert. Der Artikel behandelt die Problematik von Wertschöpfungsketten, in denen sich international tätige Unternehmen von Subunternehmen beliefern lassen, die sich in Ländern befinden, in denen Menschenrechtsverletzungen sowie Umweltschäden von den lokalen Behörden nicht genügend unterbunden werden. Somit lässt das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten durchblicken, dass der deutsche Gesetzgeber eine gewisse moralische Verantwortung extraterritorialer Natur wahrnehmen möchte. Das Gesetz findet Anwendung, sobald ein Unternehmen ungeachtet der Rechtsform mindestens 3'000.00 Arbeitnehmer beschäftigt. Zu den Sorgfaltspflichten zählen die Einrichtung eines Risikomanagements, die Festlegung einer betriebsinternen Zuständigkeit, die Durchführung regelmässiger Risikoanalysen, die Abgabe einer Grundsatzerklärung sowie die Verankerung von Präventionsmassnahmen im eigenen Geschäftsbereich und gegenüber unmittelbaren Zulieferern. Des Weiteren verlangt das Gesetz, dass die betroffenen Unternehmen ein Beschwerdeverfahren einrichten und Sorgfaltspflichten in Bezug auf Risiken bei mittelbaren Zulieferern umsetzen. Darüber hinaus unterstehen die Unternehmen einer Dokumentations- und Berichterstattungspflicht. In Hinblick auf die Anforderungen des Lieferkettengesetzes bestehen jedoch zahlreiche Zweifel an deren Umsetzbarkeit. Beispielsweise sind deutsche Unternehmen, die in den Anwendungsbereich fallen, verpflichtet, Zulieferer zu meiden, welche die am Beschäftigungsort geltenden Bestimmungen des Arbeitsrechts missachten. Dies bedeutet wiederum, dass deutsche Unternehmen wie Kontrollorgane auftreten sollten, was imperialistisch anmutet, denn die Durchsetzung des geltenden Gesetzes obliegt den lokalen Behörden und nicht ausländischen Unternehmen. Eine weitere Schwäche des Lieferkettengesetzes besteht im Verbot der Missachtung der Koalitionsfreiheit. In dieser Hinsicht müssten die Unternehmen sämtliche Zulieferer aus ihrer Lieferkette entfernen, welche einen Sitz in Staaten haben, in denen sich Arbeitnehmer nicht frei zu Gewerkschaften zusammenschliessen können. Dies würde jedoch zahlreiche Subunternehmen ausschliessen, da etliche Staaten andere Rechtskulturen aufweisen und nicht die gleichen Werte in Hinblick auf den Schutz von Arbeitnehmern hegen. Neben unrealistischen und kaum umsetzbaren Bestimmungen bringt das Gesetz aber auch ein erhebliches Missbrauchspotenzial mit sich. So müssen die betroffenen Unternehmen für Hinweisgeber (Whistleblower) ein internes Beschwerdeverfahren einrichten, welches es ermöglichen sollte, Verletzungen von Menschenrechten und Umweltvorschriften zu melden, auch wenn es sich beim Täter um einen mittelbaren Zulieferer handelt. Dies würde es einem Konkurrenten ermöglichen, das betroffene Unternehmen mit Hinweisen über vermeintliche Verletzungen durch mittelbare Zulieferer zu überschwemmen. Dieses müsste anschliessend sämtlichen Hinweisen nachgehen und entsprechend Ressourcen aufwenden.
Zum Autor: Fabian Teichmann ist Rechtsanwalt, öffentlicher Notar, Unternehmensberater sowie Lehrbeauftragter an verschiedenen Universitäten. Er beschäftigt sich im Rahmen seiner Publikationen vorzugsweise mit Themen im Bereich der Compliance.
Mehr zu diesem Thema finden Sie in Teichmann, F. (2022). Ausgewählte Schwachstellen des Gesetzes über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – LkSG). Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Haftung im Unternehmen (ZWH), 6/2022, 133-139.