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Ausgewählte Aspekte des nemo-tenetur-Prinzips in wirtschafts- und finanzstrafrechtlichen Verfahren in Österreich und der Schweiz – ein Rechtsvergleich

Unsere Rechtsanwälte in Zürich, St. Gallen und Frauenfeld sind stets wirtschafts- und finanzstrafrechtlichen Sachverhalten konfrontiert. Der vorliegende Beitrag behandelt ausgewählte Aspekte des Nemo-tenetur-Prinzips in wirtschafts- und finanzstrafrechtlichen Verfahren in Österreich und der Schweiz und vergleicht die beiden Länder rechtlich. Der vorliegende Beitrag wurde im Journal für Strafrecht veröffentlicht und von Dr. Dr. Fabian Teichmann, Rechtsanwalt in St. Gallen, sowie von Flavio Galliker, ehemaliger Jurist bei Teichmann International (Schweiz) AG, geschrieben.

Zusammengefasst versteht man unter dem Begriff Nemo-tenetur-Prinzip das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen beziehungsweise schweigen zu dürfen. Dieses Prinzip ist ein fundamentaler Grundsatz eines jeden fairen Strafverfahrens und geniesst in der Lehre und Rechtsprechung verfassungs- und konventionsrechtlichen Rang. Eigentlich wird das Nemo-tenetur-Prinzip international anerkannt und stellt ein elementares Verfahrensrecht zugunsten der beschuldigten Person dar, jedoch werden einige Teilaspekte dieses Prinzips in Österreich und in der Schweiz in wirtschafts- und finanzstrafrechtlichen Verfahren verschieden beurteilt.

Des Öfteren fehlen in einem Strafverfahren schlüssige Beweise für die Täterschaft einer verdächtigten oder beschuldigten Person, weshalb diese an Bedeutung für das Verfahren gewinnt. Durch die beschuldigte Person können wichtige Anhaltspunkte und Angaben zur Aufklärung des Sachverhalts erlangt werden. Damit ist die Gefahr verbunden, dass der Staat mit übermässigem Machtmittel auf die beschuldigte Person einwirkt, um Sachverhaltsabklärungen vorzunehmen. Dagegen braucht es deshalb ein wirksames Gegengewicht, um die Zwangsgewalt des Staates einzuschränken. Dieses Gegengewicht findet sich im Nemo-tenetur-Prinzip, wörtlich übersetzt «Nemo tenetur se ipsum prodere vel accusare», dass niemand gehalten ist, sich selbst anzuklagen oder zu belasten.

Das Nemo-tenetur-Prinzip ist in der schweizerischen Bundesverfassung sowie im österreichischen Bundesverfassungsgesetz nicht explizit normiert. Es gibt in der Lehre und Rechtsprechung deshalb Uneinigkeiten darüber, auf welche Verfassungsbestimmung sich die Begründung des Prinzips stützen soll. Das schweizerische Bundesgericht lässt es offen, ob sich das Nemo-tenetur-Prinzip auf die Unschuldsvermutung nach Art. 32 Abs. 1 schwBV stützt oder sie ein Verteidigungsrecht des Angeklagten nach Art 32 Abs. 2 schwBV ist. In Österreich ist der zeitliche Schutzbereich beispielsweise weiter zu fassen, da ein Beschuldigter bereits in allen Stadien, die in einem Strafverfahren vorausgehen, eröffnet sein kann. Bei weiteren Anliegen können Sie sich an unsere Rechtsanwälte in Frauenfeld, Zürich und St. Gallen wenden.

Zum Autor: Fabian Teichmann ist als Rechtsanwalt in der Schweiz, als Notar in St. Gallen sowie als niedergelassener Europäischer Rechtsanwalt tätig. Ausserdem ist er Lehrbeauftragter an verschiedenen Universitäten im In- und Ausland.

Mehr zu diesem Thema finden Sie in Teichmann, F., & Galliker, F. (2020). Ausgewählte Aspekte des nemo-tenetur-Prinzips in wirtschafts- und finanzstrafrechtlichen Verfahren in Österreich und der Schweiz — ein Rechtsvergleich. Journal für Strafrecht, 5, 373–386.