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Strafprozessual begründete Aufenthaltsansprüche von Menschenhandelsopfern

Unsere Rechtsanwälte in Zürich, Frauenfeld oder St. Gallen sind täglich strafrechtlichen Themen konfrontiert. Der vorliegende Beitrag im ZBJV beschäftigt sich mit dem Thema strafprozessual begründeter Aufenthaltsansprüche von Menschenhandelsopfern. Geschrieben wurde der Beitrag von Dr. Dr. Fabian Teichmann, Rechtsanwalt in St. Gallen.

Menschenhandel wird nach Art. 182 des Strafgesetzbuches (StGB) unter Strafe gestellt. Nach Absatz 1 wird mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft, wer als Anbieter, Vermittler oder Abnehmer mit einem Menschen Handel treibt zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung seiner Arbeitskraft oder zwecks Entnahme eines Körperorgans. In Verbindung mit den Schutzpflichten nach Art. 4 der Europäischen Menschenrechtskommission (EMRK) und angeknüpft an die international geläufigen Definitionen von Menschenhandel hat der schweizerische Gesetzgeber damit die Grundlage geschaffen, transnationalen Phänomenen des Menschenhandels mit strafrechtlichen Mitteln entgegenzuwirken.

Die Durchsetzung der Strafbestimmung ist in der aktuellen Praxis schwierig umzusetzen. Die Schwierigkeiten der Strafverfolgung hängen damit zusammen, dass Opfer von Menschenhandel in der Schweiz häufig über keinen geregelten Aufenthaltsstatus verfügen oder sich in einem Asylverfahren befinden. Es kann vorkommen, dass jene MigrantInnen sich gegenüber ihren Schlepperorganisationen verschuldet haben, um die Reise in die Schweiz überhaupt möglich zu machen. Wenn sie in der Schweiz angekommen sind, werden sie gezwungen, ihre Schulden abzutragen, indem sie unter ausbeuterischen Bedingungen zur Verfügung sein müssen. Sie trauen sich auch nicht Strafanzeige zu machen, da sie ihre (illegale) Anwesenheit und ihr erwirtschaftetes Einkommen nicht aufs Spiel setzen wollen. Meistens werden sie auch eingeschüchtert, indem ihnen mit Gewalt und Zwang gegenüber den in der Heimat verbliebenen Angehörigen gedroht wird.

Der Nationale Aktionsplan gegen Menschenhandel 2017-2020 legte besonders Gewicht auf die Identifizierung der Opfer, effizientere Hilfe und verbesserten Schutz, damit die Folgen des erlittenen Unrechts gemildert werden und die Opfer ihre Rechte wahrnehmen können. Ausserdem soll die Strafverfolgung der Straftäter verstärkt werden. Den Strafverfolgungsbehörden wird es kaum gelingen, ohne Kooperation des Opfers einen Menschenhändler zur Rechenschaft ziehen zu können. Deswegen bildet Teil des Schutzes der Opfer, um Vertrauen aufbauen zu können, gesicherte Aufenthaltsansprüche, die unter anderem unter Art. 13 und 14 des Europaratsübereinkommen zur Bekämpfung des Menschenhandels gewährt werden kann. Bei Anliegen oder Fragen können Sie sich gerne an unsere Rechtsanwälte in Frauenfeld, St. Gallen und Zürich wenden.

Zum Autor: Fabian Teichmann ist als Rechtsanwalt in der Schweiz und als Notar in St. Gallen tätig. Er ist ausserdem niedergelassener Europäischer Rechtsanwalt in Liechtenstein.

Teichmann, F., & Brunner, A. (2020). Strafprozessual begründete Aufenthaltsansprüche von Menschenhandelsopfern. ZBJV, 156(11), 599–611.