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Selbstverschuldete Schuldunfähigkeit infolge Alkoholes

Um sich nach einem Straftatbestand strafbar zu machen, müssen drei Voraussetzungen gegeben sein: Es muss eine Vollendung des Delikts vorliegen, es dürfen keine Rechtfertigungsgründe vorliegen und jegliche Schuldausschliessungsgründe müssen fehlen. Ein Delikt gilt als nicht vollendet, wenn zum Beispiel der Erfolg nicht gegeben ist. Als Rechtfertigungsgrund kommt beispielsweise die Notwehr in Frage. Schuldausschliessende Gründe können vorkommen, wenn es dem Täter zum Tatzeitpunkt nicht möglich war, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder gemäss dieser Einsicht zu handeln. Liegt die Schuldfähigkeit nicht vor, kann man nicht bestraft werden. Liegt die Schuldfähigkeit nur teilweise vor, der Täter war während der Tat also nur teilweise fähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder gemäss dieser Einsicht zu handeln, mildert das Gericht die Strafe (Art. 19 Abs. 2 StGB). Konnte der Täter die Schuldunfähigkeit vermeiden und dabei die in diesem Zustand begangene Tat voraussehen, ist der Täter trotz Schuldunfähigkeit strafbar (Art. 19 Abs. 4 StGB); dies kann vor allem bei übermässigen Alkoholkonsum vorliegen, was in diesem Artikel behandelt wird. Diese Konstellation von Abs. 4 wird actio libera in causa (a.l.i.c.) genannt. Weitere Informationen zu den schuldausschliessenden Gründen erhalten Sie von Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen in St. Gallen, Zürich oder Frauenfeld.

Bei einer Blutalkoholkonzentration von weniger als 2 Promille liegt in der Regel keine Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit vor. Der Täter macht sich strafbar. Liegt die Blutalkoholkonzentration zwischen 2 und 3 Promille, liegt in der Regel eine verminderte Schuldfähigkeit vor und das Gericht kann die Strafe mildern. Schuldunfähigkeit liegt in der Regel bei einer Blutalkoholkonzentration von über 3 Promille vor. Diese Werte können allerdings bloss als grobe Faustregel angesehen werden. Es sind stets Gewöhnung, Persönlichkeit und Tatsituation in die Beurteilung der Schuldfähigkeit einzubeziehen.

Wie in einem vorherigen Artikel dargelegt, wird bei den Straftatbeständen zwischen vorsätzlichen und fahrlässigen Delikten unterschieden. Auch bei der actio libera in causa wird zwischen der vorsätzlichen und fahrlässigen Variante unterschieden.

Vorsätzliche a.l.i.c.

Die vorsätzliche actio libera in causa regelt die Bestrafung aus einem Vorsatzdelikt trotz Schuldunfähigkeit. Dieser Zustand muss durch den Täter vorsätzlich herbeigeführt worden sein. Als er diesen Zustand herbeigeführt hat, muss er Vorsatz bezüglich der später in diesem Zustand begangenen Tat gehabt haben. Der Täter muss also beim Konsum von Alkohol für möglich halten, dass er sich in einen Zustand versetzt, in denen er das Unrecht seiner Taten nicht mehr einsehen kann und das in Kauf nehmen. In diesem Zeitpunkt, als er Alkohol konsumiert, muss er auch bereits für möglich halten, dass er die in diesem Zustand begangene Tat begehen wird.

Ein Beispiel: Ein Mann möchte schon lange seinen Nachbarn schlagen, weil dieser die ganze Zeit Lärm macht. Da der Mann vom Charakter her er schüchtern ist, getraut er sich nicht, seinen Nachbarn zu konfrontieren. Er beschliesst, sich zu betrinken und danach zu ihm rüber zu gehen, um ihn zu schlagen. Dies tut er auch. Bei der Tatbegehung hatte der Mann eine Blutalkoholkonzentration von 3 Promille. Der Täter ist somit schuldunfähig. Er handelt jedoch mit Doppelvorsatz: Einerseits in Bezug auf das Betrinken und andererseits auf die im Zustand der Schuldunfähigkeit begangenen Tat.

Fahrlässige a.l.i.c.

Die fahrlässige actio libera in causa regelt die Bestrafung aus einem Fahrlässigkeitsdelikt trotz Schuldunfähigkeit. Im Gegensatz zu der vorsätzlichen a.l.i.c. hat der Täter den Zustand der Schuldunfähigkeit vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt und der Täter musste im Zeitpunkt der vollen Schuldfähigkeit voraussehen, dass er ein bestimmtes Delikt begehen wird. Als vorsätzliche Herbeiführung des Zustands der Schuldunfähigkeit kann beispielsweise der Konsum hoch dosierter harter Drogen sein. Wurden die Drogen nur versehentlich zu hoch dosiert, liegt eine fahrlässige Herbeiführung des Zustands der Schuldunfähigkeit vor.

Hat somit ein Täter schuldunfähig eine Tat begangen, die er vermeiden konnte und ausserdem voraussehbar war, ist er trotzdem strafbar, da Art. 19 Abs. 1 StGB nicht anwendbar ist. Bei Unklarheiten, welche Art von actio libera in causa vorliegt, kontaktieren sie bitte einen unserer Anwälte oder Anwältinnen in Zürich, St. Gallen oder Frauenfeld.

Falls die im Zustand der Schuldunfähigkeit begangenen Tat nicht vorhersehbar war, liegt keine actio libera in causa vor und die Strafbarkeit wegen der Begehung der Tat ist dann ausgeschlossen. Ist die im Zustand der Schuldunfähigkeit begangenen Tat zwar vorhersehbar (fahrlässige a.l.i.c.), aber nicht fahrlässig strafbar (d.h. der Tatbestand bestraft die fahrlässige Begehung ausdrücklich nicht), scheidet eine Strafbarkeit wegen der Begehung der Tat ebenfalls aus. Der Täter ist demnach bei beiden Konstellationen nicht strafbar. Art. 263 StGB dient dann als Auffangnorm, was bedeutet, man ist nach diesem Straftatbestand strafbar. Die Strafen fallen aber erheblich geringer aus, als wenn die Tat schuldfähig begangen worden wäre.