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Rechtsquellen im Europarecht

Die Europäische Union verfügt über eine eigenständige Rechtsordnung und ist selbst rechtsetzend tätig. Grundsätzlich können die Rechtsnormen der EU in zwei grosse Kategorien eingeteilt werden, namentlich in Primärrecht und in Sekundärrecht. Folgend werden die verschiedenen Rechtsquellen der Europäischen Union entsprechend der Normenhierarchie kurz vorgestellt.

Primärrecht

Das Primärrecht stellt die ranghöchste Rechtsquelle in der Europäischen Union dar. Darin werden insbesondere die Zuständigkeiten und Befugnisse zwischen der EU einerseits und den Mitgliedstaaten andererseits verteilt. Die Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen in Zürich, St. Gallen und Frauenfeld geben Ihnen gerne weitere Informationen zu der Kompetenzverteilung in der Europäischen Union.

Zum Primärrecht gehören die Gründungsverträge (Vertrag von Paris (1951), Verträge zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Vertrag von Rom) und der Euratom (1957), Vertrag von Maastricht (1992)), sowie die Änderungsverträge (bspw. Einheitliche Europäische Akte (1986) oder Vertrag von Nizza (2001)).

Die beiden wichtigsten Verträge sind heute der Vertrag über die Europäische Union (EUV) und der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Der Vertrag über die Europäische Union hat sich aus dem Vertrag von Maastricht entwickelt. Er stellt die Grundlage des Rechts der Europäischen Union dar und hält den Zweck der EU sowie die Politik der zentralen Organe fest. Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union hat seinen Ursprung im Vertrag von Rom. Der AEUV hat ergänzende Funktion. Er wirkt konkretisierend in Bezug auf den EUV. Darin wird der Umfang der Zuständigkeiten, die bei der EU liegen, festgehalten. Der Vertrag über die Arbeitsweise der EU legt „die Bereiche, die Abgrenzung und die Einzelheiten der Ausübung ihrer Zuständigkeiten“ fest.

Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union gehört ebenfalls zum Primärrecht. Im Vertrag über die Europäische Union wird explizit festgehalten, dass die Charta mit dem EUV und dem AEUV rechtlich gleichrangig ist. Kontaktieren Sie für weiterführende Erklärungen zu den Grundrechten aus der Charta eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in St. Gallen, Zürich oder Frauenfeld.

Weiter gehören die verschiedenen Beitrittsverträge zu den höchstrangigen Rechtsquellen der Europäischen Union. Die Beitrittsverträge stellen den formellen Abschluss der vorausgehenden Beitrittsverhandlungen dar. Beispiele sind der Vertrag über den Beitritt Griechenlands von 1979 oder der Vertrag über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens von 2005.

Die Protokolle, Anhänge und Erklärungen zu den verschiedenen obengenannten Verträgen gehören ebenso zum Primärrecht der EU. Diese sind den Verträgen angefügt und ergänzen sie in Einzelheiten, ohne dabei Bestandteil des Vertrages zu sein.

Völkerrechtliche Übereinkommen der Union

Zwischen dem Primärrecht und dem Sekundärrecht befinden sich in der Hierarchie der Rechtsquellen der Europäischen Union die internationalen Übereinkünfte, welche die EU mit anderen Partnern abschliessen kann. Solche Übereinkommen können mit Drittländern oder mit anderen internationalen Organisationen abgeschlossen werden. Sie können multilateral und bilateralen Charakters sein. Rechtliche Grundlage für den Abschluss sind Art. 216 und 217 AEUV. Da die Übereinkünfte in der Hierarchie über dem Sekundärrecht stehen, sind sie für die Organe der Union und für die Mitgliedstaaten verbindlich.

Allgemeine Rechtsgrundsätze

Eine weitere Rechtsquelle des Europarechts sind die allgemeinen Rechtsgrundsätze. Sie werden durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof (EuGH) entwickelt und stammen aus den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten. Zentral sind die allgemeinen Rechtsgrundsätze dort, wo das Primärrecht Lücken lässt. Als Beispiele können die Rechtssicherheit, der Vertrauensschutz oder das institutionelle Gleichgewicht genannt werden. Ein Anwalt oder eine Anwältin für Europarecht in der Schweiz kann Ihnen nähere Auskunft zu den bestehenden allgemeinen Rechtsgrundsätzen geben.

Sekundärrecht

Das Sekundärrecht wird gestützt auf die Kompetenzen, die die EU aus dem Primärrecht erhält, erlassen. Das Sekundärrecht kann in Form einer Verordnung oder Richtlinie, eines Beschlusses, einer Empfehlung oder einer Stellungnahme ergehen. Zentrale rechtliche Grundlage ist dabei Art. 288 AEUV.

Verordnungen sind generell-abstrakter Natur. Sie haben allgemeine Geltung und sind so wie sie durch das zuständige Organ erlassen werden, verbindlich. Die Verordnungen sind unmittelbar anwendbar und bedürfen keiner Umsetzung in nationales Recht. Durch Erlass einer Verordnung kann die einheitliche Anwendung von Unionsrecht in allen Mitgliedstaaten sichergestellt werden.

Richtlinien hingegen sind lediglich hinsichtlich des Ziels verbindlich. Die Wahl bezüglich Form und Mittel zur Umsetzung der Richtlinie ist den Adressaten überlassen. Richtlinien müssen jeweils innerhalb einer bestimmten Umsetzungsfrist in nationales Recht umgesetzt werden. Ausserdem muss bestehendes nationales Recht den Richtlinien entsprechend ausgelegt werden. Richtlinien können sich an einzelne, mehrere oder auch alle Mitgliedstaaten richten. Unter gewissen Umständen kann eine Richtlinie unmittelbare Wirkung haben, sofern die Mitgliedstaaten der fristgerechten Umsetzung nicht nachgekommen sind. Die Anwältinnen und Anwälte in Frauenfeld, Zürich oder St. Gallen beraten Sie gerne zu den genauen Voraussetzungen einer unmittelbaren Anwendbarkeit einer Richtlinie.

Beschlüsse sind im Unterschied zu den Verordnungen und den Richtlinien nicht generell-abstrakter, sondern individuell-konkreter Natur. Sie sind demnach verbindlich im Einzelfall und dienen der Regelung konkreter Sachverhalte.

Empfehlungen und Stellungnahmen begründen für den Adressaten keine Rechte und Pflichten, sondern können Hinweise zur Auslegung und zum Inhalt des Unionsrechts geben.