Eine tatverdächtige Person kann bereits vor dem Erlass eines rechtskräftigen Urteils inhaftiert werden, wenn ein Haftgrund vorliegt. Diese Inhaftierung erfolgt mittels der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft (Art. 220 ff. StPO). Im Folgenden werden die Voraussetzungen für die Anordnungen der Untersuchungs- und Sicherheitshaft erläutert sowie deren jeweilige Verfahren.
Die Untersuchungshaft ist der Freiheitsentzug während des Vorverfahrens, wohingegen die Sicherheitshaft den Freiheitsentzug zwischen dem Eingang der Anklage beim Gericht und der Rechtskraft des Urteils, der Haftentlassung oder dem Antritt einer freiheitsentziehenden Sanktion darstellt. Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen für Strafrecht in Zürich, Frauenfeld oder St. Gallen klären Sie bezüglich der Unterscheidung dieser beiden Begriffe gerne genauer auf.
Die Untersuchungs- und Sicherheitshaft sind zulässig, wenn die beschuldigte Person dringend eines Vergehens oder Verbrechens verdächtigt wird und ernsthaft zu erwarten ist, dass sie sich durch Flucht dem Strafverfahren oder der zu erwartenden Sanktion entzieht (Fluchtgefahr), sie Personen beeinflusst oder auf Beweismittel einwirkt, um damit die Wahrheitsfindung zu beeinträchtigen (Kollusionsgefahr) oder sie durch schwere Verbrechen oder Vergehen die Sicherheit anderer erheblich gefährdet, nachdem sie bereits früher gleichartige Straftaten verübt hat (Wiederholungsgefahr). Die Untersuchungs- und Sicherheitshaft sind zudem zulässig, wenn ernsthaft zu befürchten ist, die beschuldigte Person werde ihre Drohung, ein schweres Verbrechen auszuführen, wahrmachen (Ausführungsgefahr).
Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts müssen eine Reihe von Kriterien die Fluchtgefahr nicht nur als möglich, sondern auch als wahrscheinlich erscheinen lassen. Dazu zählen der Charakter des Beschuldigten, seine familiären und sozialen Bindungen, seine berufliche und finanzielle Situation, seine Verbindungen zum Verfolgerstaat sowie seine Kontakte im Ausland (BGE 145 IV 503). Ob eine wahrscheinliche oder nur eine mögliche Fluchtgefahr vorliegt, kann Ihnen ein Anwalt oder eine Anwältin für Strafrecht in der Schweiz beantworten.
Die Kollusionsgefahr soll im Besonderen verhindern, dass die beschuldigte Person die Freiheit dazu missbraucht, die wahrheitsgetreue Abklärung des Sachverhalts zu vereiteln oder zu gefährden. Nach der Rechtsprechung kann sich dies aus dem bisherigen Verhalten des Beschuldigten im Strafprozess, aus seinen persönlichen Merkmalen, aus seiner Stellung und seinen Tatbeiträgen im Rahmen des untersuchten Sachverhaltes sowie aus den persönlichen Beziehungen zwischen ihm und den ihm belastenden Personen ergeben. Bei der Frage, ob eine massgebliche Beeinträchtigung des Strafverfahrens wegen Verdunkelung droht, ist auch der von Beeinflussung bedrohten Aussage bzw. Beweismittel, der Schwere der untersuchten Straftaten sowie dem Stand des Verfahrens Rechnung zu tragen (BGE 137 IV 122). Bei dieser Einschätzung kann Ihnen ein Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin für Strafrecht in Frauenfeld, Zürich oder St. Gallen behilflich sein.
Die Anordnung der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft aufgrund der Wiederholungsgefahr hat den Zweck, zu verhindern, dass das Verfahren durch immer neue Delikte kompliziert wird und sich in die Länge zieht. Auch die Spezialprävention ist ein Grundgedanke der Untersuchungs- und Sicherheitshaft wegen Wiederholungsgefahr. Das Bundesgericht setzt voraus, dass durch den Beschuldigten schwere Vergehen oder Verbrechen drohen müssen, die Sicherheit anderer erheblich gefährdet sein muss und die Tatwiederholung ernsthaft zu befürchten sein muss, was mittels einer Rückfallprognose zu beurteilen ist (BGE 143 IV 9). Darüber, ob eine gute oder schlechte Rückfallprognose vorliegt, kann Ihnen ein Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin für Strafrecht in St. Gallen, Zürich oder Frauenfeld Auskunft geben.
Wird die beschuldigte Person festgenommen, muss sie die Staatsanwaltschaft unverzüglich befragen und ihr die Möglichkeit geben, sich zum Tatverdacht und den Haftgründen zu äussern (Art. 224 Abs. 1 StPO). Bestätigen sich der Tatverdacht und die Haftgründe, muss die Staatsanwaltschaft innert 48 Stunden nach Festnahme dem Zwangsmassnahmengericht ein Antrag auf Anordnung von Untersuchungshaft oder einer Ersatzmassnahme stellen (Art. 224 Abs. 2 StPO). Verzichtet die Staatsanwaltschaft auf einen solchen Antrag, muss die festgenommene Person unverzüglich freigelassen werden (Art. 224 Abs. 3 StPO). Das Zwangsmassnahmengericht muss wiederum innert 48 Stunden nach Eingang des Antrags der Staatsanwaltschaft über die Freilassung oder die Anordnung der Untersuchungshaft oder von Ersatzmassnahmen treffen (Art. 226 Abs. 1 StPO). Nach Ablauf der vom Zwangsmassnahmengericht festgesetzten Dauer der Untersuchungshaft kann die Staatsanwaltschaft ein Haftverlängerungsgesuch stellen (Art. 227 Abs. 1 StPO). Hat das Zwangsmassnahmengericht die Haftdauer nicht beschränkt, ist das Gesuch vor Ablauf von drei Monaten Haft zu stellen (Art. 227 Abs. 1 StPO). Hingegen kann die beschuldigte Person bei der Staatsanwaltschaft jederzeit ein Gesuch um Haftentlassung einreichen. Vorbehalten bleibt der Fall, bei dem das Zwangsmassnahmengericht eine Frist von maximal einem Monat angesetzt hat, innert dieser die beschuldigte Person kein Entlassungsgesuch stellen kann (Art. 228 Abs. 1 i.V.m. Art. 228 Abs. 5 StPO). Benötigen Sie Hilfe bei den verschiedenen Gesuchen, kann Ihnen ein Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin für Strafrecht in der Schweiz weiterhelfen.
Das Zwangsmassnahmengericht kann auf Gesuch der Staatsanwaltschat als Fortsetzung der Untersuchungshaft, wenn sich die beschuldigte Person bei Anklageerhebung bereits in Untersuchungshaft befindet, die Sicherheitshaft anordnen (Art. 229 Abs. 1 StPO). Ergeben sich die Haftgründe erst nach der Anklageerhebung, kann das Zwangsmassnahmengericht auf Antrag des erstinstanzlichen Gerichts die Sicherheitshaft anordnen (Art. 229 Abs. 2 StPO).