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Scheidung wegen Unzumutbarkeit

Wenn die Ehe nicht mehr funktioniert, ist häufig an ein Zusammenleben nicht mehr zu denken. Gewisse Ehegatten wollen so schnell wie möglich alle Brücken abbrechen und die Ehe per sofort auflösen. Doch herrscht Uneinigkeit der Noch-Ehegatten, muss normalerweise eine zweijährige Trennungszeit abgewartet werden, bevor die Ehe endgültig aufgelöst werden kann. Anders sieht es jedoch aus, wenn es schwerwiegende Gründe gibt, die die Fortführung der Ehe unerträglich machen.

Art. 115 ZGB besagt, dass ein Ehegatte die sofortige Auflösung der Ehe beantragen kann, wenn die Fortsetzung der Ehe aus schwerwiegenden Gründen, die ihm nicht zuzurechnen sind, nicht mehr zugemutet werden kann. Entscheidend ist dabei, dass der klagenden Partei der Fortbestand der Ehe seelisch nicht mehr gemutet werden kann. Konkret bedeutet dies, dass das Verhältnis zwischen den Ehegatten entscheidend ist und ein mögliches Verschulden sowie die Ehegeschichten in die Verhandlung miteinbezogen werden. Erst nach deren Beurteilung wird das Gericht entscheiden, ob die vorliegenden Gründe als schwerwiegend erachtet werden, um die Ehe per sofort aufzulösen.

Die infrage kommenden Gründe können in drei Gruppen unterteilt werden. Sie können von objektiver Natur sein, die physische oder psychische Integrität beeinträchtigen oder eine missbräuchliche Eheschliessung umfassen. Die Gründe von objektiver Natur sind namentlich das Fehlen der Urteilsfähigkeit infolge einer Krankheit. Kann beispielsweise ein Ehegatte aufgrund seiner fehlenden Urteilsfähigkeit nicht mehr einer Scheidung zustimmen, ist es die Aufgabe des Gerichts, den wirklichen Willen zu erforschen. Weitere Gründe können Fälle sein, in deren die klagende Partei in ihrer physischen oder psychischen Integrität beeinträchtigt wird. Darunter fallen schwere Verbrechen wie Körperverletzung, Missbrauch oder auch intensives Stalking. Ein Ehebruch an sich würde dagegen nicht ausreichen, um eine Scheidung nach Art. 115 ZGB zu begründen. Ebenfalls denkbar wären auch Fälle von missbräuchlichen Eheschliessungen, um beispielsweise eine Aufenthaltsbewilligung zu erhalten, obwohl nie ein Wille zur Eheschliessung bestand.

Die vorher genannten Gründe müssen folglich entweder von objektiver Natur sein oder aber einem der Ehegatten zugerechnet werden können. Ob einer der Ehegatten tatsächlich die Gründe selbst verschuldet oder sie in der Natur der Ehegatten liegen, ist dabei nicht von Bedeutung. Relevant ist hingegen nur, dass die Gründe nicht vom klagenden Ehegatten oder der klagenden Ehegattin verursacht werden. Eine Scheidung auf Klage zu verlangen, obwohl der Ehegatte selbst seine Gattin schwer verletzt hat, ist nicht möglich.

Die Schweizer Gerichte üben jedoch bei der Bejahung der Unzumutbarkeit einer Ehe grosse Zurückhaltung aus. In der Praxis wird daher eine Scheidung auf Klage sehr selten angerufen. Unsere Anwältinnen und Anwälte aus dem Bereich Familienrecht beraten Sie jedoch gerne zu den verschiedenen Möglichkeiten der Scheidung.