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Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten

Das Beweisverwertungsverbot ist in Art. 141 StPO festgehalten. Bei der Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten geht es darum, ob ein Verwertungsverbot nur den unmittelbar erhobenen Beweis oder auch die mittelbaren Folgebeweise, die aufgrund des illegal beschaffenen Beweises entdeckt wurden, betrifft.

Im amerikanischen Strafrecht gilt das Prinzip des «fruit of the poisonous tree». Das bedeutet, dass nicht nur der Baum vergiftet wird, sondern auch alle daran hängenden Früchte. Somit würde nach diesem Grundsatz ein illegal ermitteltes Beweismittel auch alle folgenden Beweise unverwertbar machen.

Für das Fernwirkungsverbot spricht vor allem der Schutz der Beweisverwertungsverbote vor Aushöhlung. Können Verfahrensvorschriften einfach ohne Bestrafung umgangen werden, sind sie wertlos. Gegen die Fernwirkung spricht die Tatsache, dass ein offensichtlich Schuldiger freigesprochen wird, nur weil Verfahrensregeln verletzt worden sind. Als weitere Argumente werden auch immer wieder die materielle Wahrheit, die Lahmlegung des Strafverfahrens sowie das Verbot des überspitzten Formalismus aufgeführt.

Gesetzlich ist das Fernwirkungsverbot in Art. 141 Abs. 4 StPO geregelt. Demnach sind nicht nur rechtswidrig erworbene Primärbeweise unverwertbar, sondern auch diejenigen Sekundärbeweise, deren Erhebung ohne die vorherige illegale Beweiserhebung unmöglich gewesen wäre. Wenn also die Strafverfolgungsbehörde den Zweitbeweis ohne den ersten unverwertbaren Beweis nicht gefunden hätte, ist die Verwertung verboten. Von diesem Grundsatz gibt es jedoch eine Ausnahme, denn die Verwertung soll für die Aufklärung schwerer Straftaten möglich sein. Was unter das Kriterium der schweren Straftat fällt, ist jedoch sehr umstritten. Ein Teil der Lehre geht davon aus, dass der Deliktskatalog für die geheimen Überwachungsmassnahmen und die verdeckte Übermittlung ebenfalls anwendbar ist (Art. 269 Abs. 2 und 286 Abs. 2 StPO). Andere vertreten die Meinung, dass als schwere Taten nur Verbrechen in Frage kommen. Die herrschende Lehre geht davon aus, dass nur Schwerstkriminalität erfasst ist, das heisst Delikte, bei denen ausschliesslich eine Freiheitsstrafe vorgesehen ist.

Die Regelung in Art. 141 Abs. 4 StPO ist demnach ein Kompromiss, da dadurch das Verwertungsverbot nicht ganz wirkungslos ist, aber andererseits ungerechtfertigte Freisprüche verhindert werden. Die entscheidende Frage, welche entscheidet, ob die Fernwirkung des Beweisverwertungsgebot überhaupt Anwendung findet, ist, ob es sich um eine Ordnungs- oder Gültigkeitsvorschrift handelt. Handelt es sich um eine Ordnungsvorschrift, sind die Beweise gemäss Art. 141 Abs. 3 StPO verwertbar und die Frage der Fernwirkung stellt sich nicht. Ist jedoch eine Gültigkeitsvorschrift betroffen, ist zu differenzieren, ob es sich um eine absolute oder relative Gültigkeitsvorschrift handelt. Ist eine relative Gültigkeitsvorschrift verletzt, ist die Verwertung des Sekundärbeweises möglich, wenn dieser zur Aufklärung einer schweren Straftat unbedingt notwendig ist.

Die herrschende Lehre vertritt die Meinung, dass bei einem absoluten Verwertungsverbot nach Art. 141 Abs. 1 StPO eine strikte Fernwirkung gelten soll und somit die Verwertung von Folgebeweisen nicht zulässig ist. Bei einem schweren Verfahren ist das Interesse des oder der Beschuldigten an einem fairen Verfahren besonders gross, da er oder sie mit einer langjährigen Haftstrafe rechnen muss. Demnach sollte in jedem Fall eine Anwältin oder ein Anwalt für Strafrecht in St. Gallen, Frauenfeld oder Zürich herangezogen werden.