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Die Unternehmenshaftung

Bei medienwirksamen Extremfällen von Misswirtschaft oder Straftaten im Zusammenhang mit Unternehmen stellt sich regelmässig die Frage nach der Verantwortlichkeit. Beispielsweise resultierte im Jahr 2001 das Grounding der Swissair in einem Prozess mit 19 Angeklagten, Verurteilungen gab es jedoch keine. Einige Zeit später, 2003, wurde dann die Unternehmenshaftung in das Strafgesetzbuch integriert. Der damals neue Artikel 102 StGB bildet eine grosse Ausnahme von dem herrschenden Prinzip der ausschliesslichen Strafbarkeit von natürlichen Personen. Trotz der Bemühungen, dass auch Unternehmen zur Verantwortung gezogen werden können, gibt es auch 20 Jahre nach der Einführung der Unternehmenshaftung nur wenige Verurteilungen. Ein bekanntes Beispiel ist der Fall Alstom Network AG Schweiz.

Dieser Beitrag erläutert die Unternehmenshaftung nach Art. 102 StGB und erklärt deren Funktionsweise. Bei Fragen bezüglich der Unternehmenshaftung helfen Ihnen unsere Anwälte für Strafrecht in St.Gallen, Frauenfeld oder Zürich gerne weiter.

Die Strafbarkeit eines Unternehmens nach Art. 102 StGB kennt zwei Varianten. Erstens in Abs. 1 die subsidiäre und in Abs. 2, die primäre Unternehmensstrafbarkeit. Was in diesem Zusammenhang als Unternehmen verstanden wird, ist in Abs.4 definiert. Weiter muss die Tat «in Ausübung geschäftlicher Verrichtungen» begangen werden. Privatdelikte sind damit ausgeschlossen.

Die subsidiäre Unternehmenshaftung

Die Strafbarkeit nach Art. 102 Abs. 1 StGB ist erfüllt, wenn ein Verbrechen oder Vergehen in Ausübung geschäftlicher Verrichtungen im Rahmen des Unternehmenszwecks begangen wird und wegen mangelhafter Organisation des Unternehmens keine Zuordnung zu einer natürlichen Person möglich ist. Die subsidiäre Unternehmenshaftung dient damit insbesondere der Lückenschliessung für den Fall, dass wegen Organisationsdefiziten im Unternehmen keine Individualzurechnung für die Tat möglich ist. Das Unternehmen wird hiermit nicht für die Anlasstat an sich bestraft, sondern für das Fehlen oder die ungenügende Ausgestaltung der getroffenen organisationsspezifischen Massnahmen.

Die primäre Unternehmenshaftung

Die Unternehmenshaftung nach Art. 102 Abs. 2 StGB kommt hingegen nur zur Anwendung, wenn ein Katalogdelikt erfüllt ist. Zu den Katalogstraftaten gehören unter anderem die organisierte Kriminalität, die Finanzierung von Terrorismus oder auch die Geldwäscherei.
Weiter bedingt diese Variante der Unternehmenshaftung, dass das Unternehmen nicht die erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehrungen getroffen hat, um die Straftat zu verhindern. Die primäre Unternehmenshaftung kommt dabei unabhängig von der Strafbarkeit einer natürlichen Person zur Anwendung.

Die Bemessung der Busse erfolgt gemäss Art. 102 Abs. 3 StGB anhand der Schwere der Tat, dem Grad der Desorganisation, dem verursachten Schaden sowie der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens. Bei Fragen zur Unternehmenshaftung oder anderweitig im Bereich des Strafrechts, wenden Sie sich an unsere Rechtsanwälte für Strafrecht in Zürich, St. Gallen oder Frauenfeld.