de en ru it fr

Teil 1: Bonus für die Impfung

Vor kurzem hat sich die Nationale Ethikkommission im Bereich Humanmedizin (NEK) zur Covid-19-Impfung bezüglich Verhältnismässigkeit, Gleichbehandlung und Solidarität als Richtschnur geäussert (Medienmitteilung vom 12. Februar 2021). Die NEK kommt zum Schluss, dass ein allgemeines, rechtlich durchsetzbares Obligatorium zur Impfung nicht gerechtfertigt werden könne und empfiehlt deshalb, von einem Obligatorium – auch für bestimmte Bevölkerungsgruppen – abzusehen.

Diese Stellungnahme gibt Anlass, arbeitsrechtliche Überlegungen im Zusammenhang mit der Impfung anzustellen. Arbeitgebende werden unter Umständen ein Interesse daran haben, dass sich ihre Mitarbeitenden gegen das Coronavirus impfen lassen. Es fragt sich, ob bzw. welche Möglichkeiten den Arbeitgebenden in diesem Zusammenhang zustehen und welche Massnahmen ergriffen werden können, wenn die Arbeitnehmenden sich gegen die Impfung weigern.

Finanzielle Möglichkeiten

Gemäss Obligationenrecht ist der Arbeitgebende verpflichtet, den Arbeitnehmenden den vereinbarten oder üblichen Lohn zu bezahlen (Art. 322 OR). Möglich ist das Auszahlen einer Sonderleitung bei bestimmten Anlässen, wie Weihnachten oder beim Abschluss des Geschäftsjahres; die sogenannte Gratifikation (Art. 322d OR). Es fragt sich, ob eine Gratifikation ausbezahlt werden dürfte, wenn ein/e Arbeitnehmer/in sich impfen lässt.

Die Gratifikation kann von Bedingungen abhängig gemacht werden. Ob eine Impfung als Bedingung zulässig ist, wurde bis anhin, soweit ersichtlich, zwar nicht explizit geklärt, jedoch ist nicht erkennbar, was dem entgegensprechen soll.

Die Arbeitgebenden sind weiter verpflichtet, die Persönlichkeit der Arbeitnehmenden zu schützen. Daraus fliesst auch das Gebot zur Gleichbehandlung der Mitarbeitenden. Eine Ungleichbehandlung im Sinne einer widerrechtlichen Persönlichkeitsverletzung wird in der Praxis bejaht, wenn ein/e Arbeitnehmer/in gegenüber einer Vielzahl anderer Mitarbeitender schlechter gestellt wird. Einzelne Mitarbeitenden besser zu stellen wird hingegen grundsätzlich als zulässig qualifiziert.

Diese Grundsätze wären auch bei der Ausbezahlung eines bestimmten Geldbetrages bei einer Impfung zu berücksichtigen. Insofern wären klare, nachvollziehbare Bedingungen aufzustellen, welche alle Arbeitnehmenden erfüllen könnten. Sofern beim Einhalten dieser Bedingungen jedem Arbeitnehmer und jeder Arbeitnehmerin derselbe Betrag ausbezahlt würde, müsste diese Ungleichbehandlung zulässig sein. Als unzulässige Benachteiligung könnte sich auswirken, wenn sich einzelne Mitarbeitende aus bestimmten Gründen nicht impfen lassen könnten oder wenn nur einzelne Mitarbeitende überhaupt Zugang zu einer Impfung finden würden. Letzterer Punkt wäre insbesondere im jetzigen Zeitpunkt zu berücksichtigen, wo die Impfung (noch) nicht allen Personen zugänglich ist.

Andere Anreize

Auch nicht-finanzielle Anreize sind möglich: Arbeitgebende könnten ihren Mitarbeitenden erlauben, sich während der Arbeitszeit impfen zu lassen oder zum Beispiel in einem Pausenraum diverse Informations- und Aufklärungsmaterialien zur Verfügung stellen, an denen sich die Arbeitnehmenden über die Vor- und Nachteile informieren können. Weiter könnten Gespräche oder Vorträge zur Impfung helfen, Unsicherheiten aus dem Weg zu schaffen und so Arbeitnehmende zu einer Impfung zu motivieren. In sämtlichen Fragen rund um arbeitsrechtliche Aspekte der COVID-19-Impfung empfiehlt es sich, einen Anwalt für Arbeitsrecht zu konsultieren.