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Revision des Erbrechts für eine zeitgemässe Familiensituation

Der Bundesrat hat in seinem Bericht vom 25. März 2015 «zur Modernisierung des Erbrechts» aufgezeigt, dass das aktuelle Erbrecht den Anforderungen der vielfältigen Familien- und Lebensformen nicht mehr gerecht wird. Im gesellschaftlichen Wandel verlor die Ehe ihre Monopolstellung und die familiären Lebensformen wurden vielfältiger. Das klassische Familienbild von Mann, Frau und Kind wurde abgelöst von Patchworkfamilien, alleinerziehenden Vätern oder Müttern und unverheirateten Eltern. Nun möchte der Gesetzgeber dieser Veränderung Rechnung tragen und eine Revision des Erbrechts veranlassen, damit der Erblasser oder die Erblasserin über einen grösseren Teil seines oder ihres Vermögens frei verfügen kann.

Rechtsgrundlage

Das Gesetz regelt das Erbrecht in den Art. 457-640 ZGB. Insbesondere im Hinblick auf das Ziel der flexibleren Ausgestaltung des Erbrechts und der Stärkung der freien Quote sind die revidierten Artikel 471, 472 und 484 genauer zu betrachten. Bisher bekamen die auf pflichtteilsgesetzten Nachkommen des Erblassers gestützt auf Art. 471 Abs.1 ZGB drei Viertel des gesetzlichen Erbanspruchs. Neu wird dieser Pflichtteilsanspruch auf die Hälfte reduziert. Auch der Pflichtteil des überlebenden Ehegatten/der überlebenden Ehegattin soll von bisher der Hälfte des gesetzlichen Anspruchs, neu ein Viertel betragen. Mit dem Art. 472 ZGB verliert neuerdings der überlebende Ehegatte/die überlebende Ehegattin seinen Pflichtteilsanspruch, sollte zum Zeitpunkt des Todes ein Scheidungsverfahren oder ein Verfahren zur Auflösung der Partnerschaft hängig sein. Ebenfalls kann das Gericht durch den neu geschaffenen Art. 484a ZGB einer Person ein Untervermächtnis zulasten der Erbschaft ausrichten, um einen angemessenen Lebensunterhalt zu ermöglichen. Ermächtigte Personen wären eine faktische Lebenspartnerin, die mit dem Erblasser mindestens drei Jahren liiert war oder eine Person, die während ihrer Minderjährigkeit mit dem Erblasser während mindestens fünf Jahren zusammengewohnt hat und von diesem finanzielle Unterstützung erhalten hat und noch hätte, wäre er nicht verstorben.

Rechtsfolgen

Mit dem revidierten Art. 471 ZGB wird aufgrund der Reduzierung der Pflichtteile die frei verfügbare Quote vergrössert und der Erblasser oder die Erblasserin kann somit über einen grösseren Teil seines oder ihres Vermögens frei verfügen. Dieses Vermögen könnte die Person nun einem/einer faktischen LebenspartnerIn oder Stiefkind zukommen lassen und somit der zeitgemässen Familienform Rechnung tragen. Zudem kommt die Gesetzgebung mit dem neuerlassenen Art. 472 ZGB der verstärkten Zunahme von Scheidungen nach und ermöglicht den Wunsch des Erblassers oder der Erblasserin, nicht an eine Person zu vererben, von der man sich zurzeit zu lösen versucht. Ebenfalls erhielten vor der Revision des Erbrechts faktische LebenspartnerInnen keinen Anspruch auf die Erbschaft, ausser die Erblasser regelten dies speziell in einer Verfügung von Todeswegen oder setzte sie konkret als Erben ein. Mit der Erschaffung des Art. 484a ZGB erhalten faktische LebenspartnerInnen ein Recht auf Unterstützung, sollten sie nach dem Tod ihres Lebenspartners oder ihrer Lebenspartnerin auch ihren finanziellen Lebensunterhalt verlieren. Mit diesem Artikel wird die Situation der überlebenden LebenspartnerInnen, die finanziell vom Erblasser abhängig waren und zeitlebens zusammengelebt haben, gestärkt. Nichtsdestotrotz wird ihnen weder einen gesetzlichen Erbanspruch noch ein Pflichtteil an sich eingeräumt. Durch die Erhöhung der Verfügungsfreiheiten kann der Erblasser/die Erblasserin einen höheren Teil des Vermögens der gewünschten erbberechtigten Person überlassen oder durch eine Verfügung von Todes wegen die gewünschte Person stärker begünstigen. Dies kommt der gesellschaftlichen Realität mit ihren diversen Lebensformen näher.